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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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in einem Haufen Seide auf dem Boden.
    «Ich glaube nicht, daß das alles ist, was du weißt», sagte Nero. Er warf seine blonde Mähne zurück und blickte mit eisigen blauen Augen auf sie nieder. «Claudius schreibt in seinem Tagebuch, Caligula habe dies alles nicht nur von deinem Schwager erfahren, sondern auch einiges von Tiberius. Er nennt dreizehn Gegenstände, die gar nicht kostbar sein sollen, dafür aber eine bestimmte Kraft besitzen. Claudius ist sogar in Britannien einmarschiert, um sie in die Finger zu kriegen! Du mußt etwas darüber wissen und kennst vielleicht auch ihren Wert.»
    Er bückte sich und packte Agrippina am Arm, um sie wieder auf die Beine zu stellen. Er versuchte, nur in ihr Gesicht zu blicken und sich nicht ablenken zu lassen von den schönen Rundungen ihres goldenen, halbnackten Körpers – ihres warmen, sinnlichen Fleischs, über das jetzt das Licht der lodernden Flammen leckte, das von den Hügeln Roms zu ihnen heraufstrahlte. Agrippina lächelte wie eine Katze. «Ich brauche ein neues Schiff, damit ich meinen Besitz in Bauli bequemer erreichen und verlassen kann», sagte Agrippina, indem sie zu ihrem Weinglas griff, als ob seit ihrem letzten Schluck nicht geschehen wäre.
    «Es gehört dir», sagte er und überlegte gleichzeitig, wer ein zerlegbares Boot bauen könnte. Agrippina hatte zu viel Macht über ihn – und sie wußte es. Aber wenn er Claudius beiseite schaffen konnte, warum nicht auch sie? Dann wäre er endlich frei und mächtiger als jeder andere auf der Welt – was ihn wieder auf das interessante Thema brachte.
    «Was hat Lucius über die religiöse Kraft gesagt, die diese Lanze nach Meinung der Juden besitzt?»
    «Oh, Lucius hat sich recht genau umgehört», antwortete sie. «Angeblich geht es dabei um mehrere Dinge, die die Juden aus Babylon oder Ägypten mitbrachten, und um einige Geheimnisse ihrer mysteriösen Religionen. Ich glaube, es hatte alles etwas mit Wiedergeburt zu tun wenn diese Gegenstände in den richtigen Händen vereint sind.»
    «Glauben das diese Juden wirklich?» fragte Nero. «Oder hat Longinus eine Idee gehabt, wie so etwas gehen könnte?»
    «Anscheinend müssen die Dinge an den richtigen Ort gelegt werden», sagte sie. «An einen mächtigen Ort wie die Höhlen in Eleusis oder die in Subiaco vor den Toren Roms, gleich gegenüber von deinem Sommerpalast, den du dir gerade baust. Und natürlich muß es auch die richtige Zeit sein.»
    «Die Zeit?» sagte Nero. «Meinst du die Tages- oder die Jahreszeit?»
    «Nein, nichts dergleichen», antwortete Agrippina. «Lucius sagte, es sei ein persischer oder ägyptischer Begriff.» Sie streichelte seinen Arm und fügte lächelnd hinzu: «Ich meine, es muß wahrscheinlich während des Äonenwechsels geschehen – an der Wende von einem himmlischen Zeitalter zu einem anderen.»
    «Aber das würde ja bedeuten», sagte Nero, während er auf das Flammenmeer blickte, das seine ewige Stadt verschlang, «daß diese Gegenstände jetzt sofort versammelt werden müßten!»

    Solche besonderen Momente, die uns einen Ausblick auf das Ferne, Unerreichbare gewähren… [beschreiben] Ausdrücke wie domaine perdu und pays sans nom weit mehr als eine bestimmte Art von archetypischer Landschaft oder eine emotionale Perspektive… Wir begreifen das schwarze Paradoxon im Herzen der menschlichen Natur erst, [wenn wir einsehen], daß die Befriedigung der Sehnsucht auch der Tod der Sehnsucht ist.

    J OHN F OWLES , Nachwort zu Le Grand Meaulnes von Alain-Fournier
    Erst nachdem Wolfgang und ich die zweistündige Fahrt zum Flughafen von Wien hinter uns gebracht hatten, nachdem wir den Wagen geparkt, eingecheckt, den Zoll passiert hatten und im Flugzeug nach Leningrad saßen, hatte ich Zeit, darüber nachzudenken, was ich bis jetzt über Pandoras Geheimnis wußte.
    Ich kam mir vor wie auf einer Schnitzeljagd, bei der die Hinweise über Kontinente und Äonen verteilt waren. Aber aus den verwirrenden, unzusammenhängenden Fakten bildete sich allmählich eine Spur heraus, die geographische Punkte auf der Landkarte mit Tiertotems, Tiere mit Sternbildern am Nachthimmel, Sternbilder mit Göttern und deren Namen verband und den Schlüssel lieferte. Als ich dann aus dem Flugzeugfenster auf das von Kanälen durchzogene Leningrad hinunterblickte, schien es zu passen, daß dieses Land, das wir jetzt betreten würden, den russischen Bären als Symbol, Maskottchen und Tiertotem hatte.
    Zum ersten Mal wurde mir klar, in wie vielen Städten ich mich

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