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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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betete im Tempel, daß sich die Einfahrt von selbst freischaufeln möge.
    So zuwider mir der Gedanke auch war, im tiefen Pulverschnee herumzustapfen, so sah ich im Augenblick nur eine Möglichkeit, den Abhang zwischen Haus und Wagen zu überqueren – und das war auf Skiern. Zum Glück befand sich auch meine Langlaufausrüstung im Wagen. Ich mußte nur die Strecke erwischen, unter der sich die Einfahrt befand, denn unser vorderer Rasen, den man mit Fug und Recht als gähnenden Abgrund bezeichnen konnte, lag unsichtbar unter einer Schneewehe verborgen, die sich, wenn ich hineinfiel, als ebenso bodenlos und tödlich erweisen konnte wie Treibsand. Außerdem mußte ich den Wagen über Nacht hier oben stehenlassen, wo er verschüttet sein würde, wenn ich ihn nicht vor morgen früh, bevor die Schneepflüge durchkamen, retten konnte.
    Ich stieg aus und holte die Ski aus dem Wagen, meine Tasche und was ich sonst noch über der Schulter tragen konnte, und stellte das Zeug auf die Straße. Als ich nach den Stiefeln suchte, sah ich durch das Seitenfenster meinen Briefkasten – gekennzeichnet durch die kleine Fahne, die wie ein fröhlicher Leuchtturm aus der Schneewehe ragte –, und plötzlich fiel mir ein, daß ich vergessen hatte, auf dem Postamt Bescheid zu sagen, sie möchten meine Post sammeln, bis ich von der Beerdigung wieder zurück sein würde. Ich schlug die Wagentür zu, ließ aber den Griff nicht los, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, während ich den Schnee vom Briefkasten fegte und die Post herausnahm, die sich im Lauf der Woche angesammelt hatte. Es war mehr, als ich gedacht hatte. Ich ließ den Türgriff los, um nach meiner Tasche zu greifen, wobei ich versehentlich etwas vom Wagen zurücktrat.
    Es war nur ein Schritt, und doch steckte ich sofort bis zur Taille im Schnee – und ich sank weiter. Ich bekam scheußliche Angst und durfte doch nicht in Panik geraten, denn wenn ich anfing, um mich zu schlagen, würde ich nur noch schneller einsinken. Ich hatte lange genug in dieser Gegend gelebt, um zu wissen, daß schon viele Menschen auf diese Weise erstickt waren – versunken im bodenlosen Schnee, wo sie weder Arme noch Beine bewegen konnten, um sich zu befreien. Und in dem Augenblick, als ich zu sinken begann, fiel mir zusätzlich ein, daß ich ziemlich sang- und klanglos zu der Beerdigung abgereist war; ich hatte nur meinem Chef gesagt, daß es einen Todesfall in der Familie gegeben hatte, und meinem Vermieter hatte ich eine wenig aufschlußreiche Nachricht hinterlassen. Es war durchaus möglich, selbst wenn mein Wagen gefunden wurde, daß man mich erst im Frühjahr nach der Schneeschmelze finden würde.
    Ich warf den hinderlichen Poststapel unter den Wagen, damit er nicht auch im Schnee verschwinden würde. Dann gelang es mir, einen Ellbogen auf die feste Straßendecke zu stützen und mich, mit der anderen Hand zerrend und ziehend, so weit zu drehen, daß ich beide Arme flach auf die Straße legen konnte. Als ich mich nach oben zog, kostete es mich sämtliche Kraft, die ich aufbringen konnte. Dann lag ich platt auf der Straße, zitternd und schwitzend vor Erschöpfung und Angst. Aber kurz darauf begann ich zu frieren. Der Schnee, der nach dem Tauchbad an mir klebte, taute, und die Feuchtigkeit drang in meine nicht völlig wasserabstoßenden Sachen.
    Ich rappelte mich auf und riß die Wagentür auf. Mir war kalt, ich war naß und müde und wütend auf mich.
    Ich holte meine Stiefel aus dem Wagen, schnürte sie mit steifen Fingern in völlig durchnäßten Handschuhen zu und stieg in die langen, federleichten Langlaufskier. Ich stopfte die Post in meine Tasche und hängte sie mir um die Schulter, und dann fuhr ich in vorsichtigen Bögen hinunter zur Hintertür. Warum hatte ich das nicht gleich versucht? Für die Post wäre morgen auch noch Zeit gewesen.
    Das Telefon klingelte wieder, als ich die Ski abstellte, die Tür aufstieß und halb taumelnd und mit einer Menge Schnee die steile Treppe zu meinem gemütlichen Verlies hinunterpolterte. Zumindest war es gemütlich, als ich es vor einer Woche verließ.
    Ich machte Licht und sah das Eis, das an der Innenseite der Fenster klebte, und die Eisblumen an den Spiegeln und den Glasscheiben der Bilder. Während ich me inen Vermieter verfluchte, weil er jedesmal, wenn ich das Haus verließ, die Heizung auf Sparflamme schaltete, zog ich die nassen Stiefel aus, bevor ich meine orientalischen Teppiche betrat. Dann rannte ich durch das Wohnzimmer, dessen Wände mit

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