Neville, Katherine - Der magische Zirkel
nächste Wochenende freinehmen zu können. Deshalb besorgte ich für mich und Jason etwas zum Abendessen. Bis ich nach Hause kam, war es dunkel, aber der Mond lugte hin und wieder zwischen den Wolken hervor, und der Wind hatte genug Schnee weggefegt, so daß ich die Einfahrt ausmachen konnte. Ich stieg aus und streute Salz und Splitt. Dann fuhr ich den Wagen hinunter, lud meine Einkäufe aus und ließ Jason ins Freie, damit er sich den Schnee ansehen konnte.
Nachdem ich die Tüten ins Haus gebracht hatte, ging ich so gelassen wie möglich zum Briefkasten. Ich hörte noch, wie Sam sagte, ich sollte mich normal benehmen, obwohl mein Herz wild klopfte. Ich schaute Jason zu, der im Schnee herumtollte. Ich dachte nur an das Päckchen, das hoffentlich dort oben im Briefkasten wartete – ungeachtet der schrecklichen Folgen, die daraus resultieren konnten. Ich wollte einfach nur die dumpfe Angst loswerden, die mich jedesmal überkam, wenn ich daran dachte.
Als ich die Post aus dem Kasten nahm, schoben sich plötzlich Wolken über den Mond, und es wurde dunkel. Der Inhalt meines Briefkastens fühlte sich nicht so an, als wäre ein größeres Päckchen dabei. Das bedeutete, daß mir ein weiterer Tag voller Spannung und Ungewißheit bevorstand, und danach vielleicht noch einer und noch einer…
Doch plötzlich ging mir ein Licht auf.
Das geheimnisvolle Paket hatte niemand genommen. Es war nie in meinem Briefkasten gewesen und würde nie dort sein! Mein Briefkasten war kleiner als selbst ein einziger Packen Papier. Und nachdem der Schnee verhindert hatte, daß jemand an unsere Tür kam, um dort ein Paket abzulegen, bedeutete das, daß es der Postbote nicht abliefern konnte. In diesem Fall mußte er einen kleinen gelben Zettel hinterlassen haben, mit dem ich die Sendung abholen konnte.
Wer immer Sams «Profis» waren, sie würden nicht so dumm sein, hier auf offener Straße meine Post nach einem gelben Benachrichtigungsschein zu durchwühlen – und schon gar nicht, wenn sie keine Ahnung hatten, daß die «wertvolle» Sendung als gewöhnliche, nicht versicherte Postsendung unterwegs war.
Selbst wenn jemand den Benachrichtigungsschein gefunden hatte, würde er dann versuchen, das Paket bei der Post abzuholen? Das wäre ziemlich riskant in einer Stadt dieser Größe, wo man sich an einen Fremden, der für jemand die Post abholen wollte, nicht nur erinnern, sondern ihn auch sofort auf Herz und Nieren prüfen würde. Wir in Idaho sind von Natur aus mißtrauisch gegenüber Fremden. Wenn das Paket angekommen war, könnte sich der gelbe Zettel zwischen dem feuchten Haufen Post im Haus befinden, wo man ihn vielleicht gefunden hatte, wenn meine Wohnung heute nachmittag durchsucht worden war. Aber selbst ohne den Zettel könnte ich das Päckchen morgen abholen.
Während ich mir das alles überlegte, ging ich mit der Post von heute zum Haus zurück. Die Wolken teilten sich, und ich sah Jason am Hang auf dem Schnee sitzen und mit einem Blatt spielen. Ich wollt e ihn schon rufen, doch dann erstarrte ich. Es war kein Blatt, womit er spielte. Es war die Ecke eines gelben Zettels, der zur Hälfte im Schnee steckte und vielleicht letzte Nacht, als ich die Post unter das Auto warf, dorthin geweht worden war.
Die Schneedecke war vielleicht stark genug, um das Gewicht einer Katze zu tragen, aber bestimmt nicht meins. Wenn ich versuchen wollte, zu der Stelle zu gelangen, wo Jason mit dem Zettel spielte, würde ich die gleiche Erfahrung machen wie letzte Nacht. Ich konnte schlecht meine Langlaufski holen, um die Schneewehe wie in der vergangenen Nacht zu überqueren, denn das wäre noch auffälliger gewesen, als Anrufe in Telefonzellen entgegenzunehmen.
Es gab nur eine Möglichkeit. Ich mußte hoffen, daß sich Jasons Lust am Apportieren nicht auf seinen kleinen roten Gummiball beschränkte.
«Jason, bring es mir», flüsterte ich, während ich in die Hocke ging und die Hand ausstreckte.
Jason sah mich an und zuckte mit dem Schwanz. Dann schloß sich die Wolkendecke, und es war wieder dunkel. Die Silhouette von Jasons kleinem Körper konnte ich vor dem hellen Schnee sehen, aber nicht den Zettel. Inständig hoffte ich, Jason würde nicht auf die Idee kommen, ihn zu verbuddeln, so daß ich morgen den ganzen Garten ausschaufeln mußte, was noch auffälliger gewirkt hätte als die Besorgung des Zettels auf Langlaufskiern.
«Komm schon, Jason», flüsterte ich etwas lauter, während ich betete, daß die unsichtbaren Schnüffler nicht im
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