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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Pandora. Sie zog ihren Schal vom Gesicht weg und ergriff den Arm ihres Cousins. «Aber wie hat er uns hier gefunden?»
    Ich war gar nicht begeistert, daß meine schönen Träume unterbrochen wurden. Vielleicht war der Mann gekommen, um uns abzuholen. Ich blieb sitzen und beobachtete den Fremden aus zusammengekniffenen Augen.
    Er war schlank, hatte ein längliches glattrasiertes und bleiches Gesicht, und er war älter als Pandora – vielleicht zwanzig Jahre oder noch mehr. Er trug einen abgetragenen, aber sauber gebügelten Anzug mit einem langen, fransigen Künstlerschal, aber trotz des kalten Wetters keinen Mantel. Sein braunes Haar war auf die damals populäre «romantische» Art geschnitten, so daß er es von Zeit zu Zeit recht affektiert aus der Stirn werfen mußte. Er schlug sich mit den behandschuhten Händen gegen die Brust, offensichtlich um sich warmzuhalten, und stieß Hauchwölkchen aus, während er dahinging. Als er nah genug war, konnte ich seine Augen sehen – Augen von einem so verblüffenden, intensiven Blau, daß man kaum den Blick abwenden konnte.
    Er rief Pandora entgegen: «Auf der Suche nach euch bin ich fast erfroren!»
    Und Zoe rief: «Bitte, bitte, Wolf, komm zu uns aufs Karussell.»
    «Ich muß euch etwas Wichtiges zeigen», sagte er, «heute noch, denn das Museum in der Hofburg ist ab morgen wegen Reinigungs- und Reparaturarbeiten geschlossen und niemand weiß, für wie lang. Jedenfalls werde ich dann bestimmt nicht mehr hier sein. Ich habe schon für alle Karten besorgt.»
    «Es tut mir leid, daß du in diese Kälte hinausmußtest», sagte Pandora. «Aber ich habe Frau Behn versprochen, den Kindern Wien zu zeigen. Laf muß bald wieder in die Schule.»
    «Der Bursche ist also der andere Behn-Sohn, der halb Engländer und halb Bure ist, ja?» fragte der Fremde.
    Ich korrigierte ihn nicht wegen des halben Buren, aber ich wunderte mich, daß jemand, der nicht einmal einen Mantel oder eine Seemannsjacke wie Dacian besaß, hier in Wien mit unserer Familie bekannt war.
    «Wolf war der Zimmergenosse von Gustl, dem Musiker, der mich zu deiner Mutter gebracht hat», erklärte mir Pandora. «Sie kennen sich schon seit ihrer Schulzeit und haben sogar eine Oper miteinander geschrieben.»
    «Aber den Gustl habe ich seit Jahren nicht gesehen», sagte Wolf lächelnd zu Pandora, schwang sich neben mich auf das fahrende Karussell und sagte beinahe vertraulich, als teilten wir zwei ein Geheimnis:
    «Unsere Wege liegen weit auseinander. Gustl hat den weltlichen eingeschlagen, ich den göttlichen.»
    Jetzt, aus der Nähe, sah ich, daß seine Augen wirklich ganz ungewöhnlich, ja beinahe hypnotisierend waren. Er sah mich an, als ob sein Urteil entscheiden würde, was ich und mein Leben wert sein könnten, und als er zufrieden nickte, fühlte ich mich merkwürdigerweise glücklich. Dann sprang er wieder hinunter zu Pandora, nahm ihre Hände und hob ihre Finger an seine Lippen. Aber er küßte nicht ihre Hand, sondern seine eigene. Es war ein seltsamer österreichischer Brauch, den ich schon in Salzburg beobachten konnte.
    «Ich schreibe keine Libretti mehr», sagte er. «Jetzt male ich wieder. Mit meinen Aquarellen bin ich ganz erfolgreich. Letzten Herbst habe ich vom Kunsthistorischen Museum einen kleinen Auftrag gehabt. Ich habe in der Rubensgalerie ein paar Rahmen vergolden müssen. Eines Abends bin ich nach der Arbeit noch geschwind hinüber in die Hofburg, bevor sie zugemacht haben. Und da habe ich etwas Hochinteressantes entdeckt. Seitdem lese ich jeden Abend in der Bibliothek, was ich darüber finden kann. Ich war deswegen auch in Melk in der Bibliothek, die ganz interessante Manuskripte hat, und sogar einmal in Salzburg.»
    Dann wandte er sich wieder mir zu. «Ich glaube nicht an Zufälle, junger Mann», erklärte er mir. «Ich glaube an das Schicksal. Ich finde es zum Beispiel interessant, welche Tiere ihr Buben euch auf diesem Karussell ausgesucht habt. Earnest hat sich den kühnen Adler ausgesucht und du einen Wolf. Mein Name zum Beispiel hieß auf althochdeutsch Athawulf, was soviel heißt wie hochgeborener oder glücklicher Wolf. Und mein Familienname hat früher wahrscheinlich dasselbe bedeutet wie Bure. Ein Hüttler war ein Kleinbauer, jemand, der sich vom Land ernährt…»

    «Wau!» rief ich mitten in Onkel Lafs Lebensgeschichte hinein, die er uns beim Brunch im Sun Valley erzählte. «Willst du damit sagen, dieser Bursche war tatsächlich Adolf Hitler?»
    Als Laf lediglich lächelte, blickte

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