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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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absolute geographische Mittelpunkt oder was wir die axis mundi nennen würden.
    Nach der Legende sollen heilige Gefäße und andere Schätze, die aus dem ersten Tempel König Salomos in Judäa während der Zerstörung des Tempels entfernt wurden, dort vergraben worden sein; und nach der Rückkehr der Juden aus der ägyptischen Gefangenschaft soll ihr geistiger Führer Mose befohlen haben, die ihnen heiligen Überreste ihrer ersten Stiftshütte, die sie in der Wildnis gebaut hatten, sowie die bekannte Bundeslade und sogar die Stiftshütte selbst dort aufzustellen. Die verschiedenen Stämme der Hebräer sind sich überdies einig in dem Glauben, daß der Brunnen bei Sichern, dessen Wasser für seine heilkräftigen Eigenschaften berühmt ist, von ihrem Vorfahren Jakob gegründet wurde, und daß Jakob, als er in dieses Land kam, an dieser Stelle seinen ersten Altar errichtete.
    Die Hebräer aller Glaubensrichtungen glaubten auch seit langem, daß diese heiligen Relikte mit dem Beginn des Jahrtausends nach Mose ans Licht kommen würden. Nach ihrem Kalender ist diese Zeit sehr nah. Vergangenen Monat nun, nachdem ein samaritischer Prophet vorausgesagt hatte, daß diese Gegenstände genau zur Herbst-Tagundnachtgleiche auftauchen würden, versammelte sich eine Menge von rund viertausend Menschen und zog zum Berg Garizim.
    Als Pontius Pilatus dies hörte, gab er römischen Soldaten einer Garnison bei Caesarea den Auftrag, sich als Pilger verkleidet zum Berg Garizim zu begeben. Als die jüdischen Pilger den Aufstieg zu ihrer heiligen Stätte begannen, fielen die Soldaten auf Pilatus Befehl über sie her. Nach dem Massaker wurden andere – besonders die Wohlhabenden und Prominenten unter ihnen – als Geiseln genommen und nach Caesarea gebracht, wo sie über das Motiv der Pilgerfahrt befragt und anschließend, ebenfalls auf Befehl von Pilatus, hingerichtet wurden.
    Vor dem hiesigen Tribunal behauptete Pilatus, er habe versucht, Unruhen unter der Zivilbevölkerung vorzubeugen, nachdem er zuvor erfahren habe, daß viele Pilger bewaffnet sein würden. Aber die Samariter tragen stets Waffen bei sich wegen des Räuberunwesens in dieser Gegend, und viele der bei Garizim Erschlagenen waren unbewaffnete Frauen und Kinder. Deshalb wurde diese Erklärung für unbefriedigend erachtet. Der Präfekt blieb in Antiochia in Haft, bis über weitere Maßnahmen entschieden wurde.
    Die Untersuchungsrichter waren sich einig aufgrund von Augenzeugenberichten römischer Soldaten, die bei den Verhören der gefangengenommenen Samariter zugegen waren, daß das eigentliche Interesse des Präfekten Pilatus den obengenannten Gegenständen der hebräischen Legende galt: Er wollte offensichtlich erfahren, wo sie vergraben sind.
    Um diese Vermutung zu überprüfen, schickten wir eine Reserveeinheit der dritten Legion in das Gebiet um den Berg Garizim. Ihrem Bericht zufolge fanden sich auf dem Berg zahlreiche Spuren von frisch umgegrabener Erde. Nachdem der Angriff auf die Pilger bereits am Fuß des Berges erfolgt war, müssen andere dort oben gegraben haben, vielleicht sogar im Auftrag von Pilatus. Aber die gesuchten Reliquien wurden nicht gefunden.
    ROM

    Frühling, A.D. 37

    Ich nähre eine Schlange für das römische Volk und einen Phaethon für die ganze Welt.
    T IBERIUS über C ALIGULA

    Laßt sie mich hassen, solange sie mich fürchten. G AIUS J ULIUS C AESAR G ERMANICUS , genannt Caligula
    «Ist es nicht faszinierend, daß das Leben immer wieder für Überraschungen sorgt, wenn wir sie am wenigsten erwarten?» sagte Gaius scheinbar heiter zu seinem Onkel Claudius.
    Arm in Arm schlenderten sie über das Marsfeld und am Tiber entlang zum Mausoleum des göttlichen Augustus, wo der halbfertige Augustus-Tempel nach dem Tod von Tiberius unvollendet geblieben war. Caligula schmunzelte wie über einen heimlichen Scherz. Dann atmete er tief den Duft des frischen Frühlingsgrüns ein und fuhr fort:
    «Wenn ich mir vorstelle, daß man mich noch vor einem Monat ‹Stiefelchen› nennen durfte – geboren in einem Stiefel und von meinem Vater wie eine Soldatenhure in Feldlagern aufgezogen – und daß ich mit achtzehn nichts anderes war als einer von vielen Tänzern, die sich Großvater neben seinem Harem auf diesem schrecklichen Felsen von Capreae hielt. Aber schau mich heute an! Mit vierundzwanzig bin ich Herrscher über das gesamte Römische Reich! Wäre Mutter nicht stolz auf mich?» Dann verdüsterte sich sein Gesicht plötzlich, und er zischte bösartig:

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