New York für Anfaengerinnen
York. StyleChicks zieht über den großen Teich, liebe Leserinnen. Am Sonntag werde ich live über meinen ersten Tag in Manhattan bloggen. See you then!
Sonntag war jetzt, und wenn Zoe auch nicht über den ziemlich erfreulichen ersten Teil ihres ersten Tages bloggen wollte, dann zumindest über den Rest. Die Straßenauswahl für ihren kleinen Stadthalbmarathon fiel nicht schwer, denn die älteste und mit mehr als fünfundzwanzig Kilometern längste Nord-Süd-Durchquerung der Stadt war der legendäre Broadway, der ganz unten an der Spitze bei Bowling Green begann, oben in Harlem weiter nach Westchester auslief und irgendwann zu einer Bundesstraße bis in die Bundeshauptstadt Albany wurde. So war sie es zumindest mit dem Finger auf Google Maps entlang gefahren. Charmanterweise war der Broadway auch die einzige Straße, die schräg durch das sonst streng im Rechteckgitter angelegte Manhattan verlief. Querulanten gefielen Zoe neuerdings. Schließlich zählte sie sich seit ihrem glänzenden Abgang aus Berlin selbst zu den Unangepassten.
Ist schon verrückt, dachte Zoe, als sie ihr Apartment verließ, wie ein untoter Mann ein Leben komplett auf den Kopf stellen konnte. Ohne BNN hätte sie nie ihren ganzen Mut zusammengerafft, wäre nicht nach New York gezogen, würde nicht Visitenkärtchen mit dem schlauen Titel Senior Vice President bekommen – und hätte nicht gleich an ihrem ersten Morgen einen entzückenden One-Morning-Stand mit einem noch entzückenderen Fremden gehabt.
»Eigentlich müsste ich mich bei Benni bedanken«, murmelte sie und sah gefühlt zum siebenhundertneunundachtzigsten Mal vor sich, wie er diesen Avatar, den sie sich insgeheim gehässig mit kobaltblauer Haut und spitzer Nase vorstellte wie im gleichnamigen Kinofilm, küsste. Sie schüttelte sich. »Nein. Eigentlich hätte ich ihn erwürgen müssen.«
Ihr Blick fiel auf die Wohnungstür von McNachbar, was ihre Laune schlagartig wieder ausglich. Sie hielt inne. »Was würdest du tun, wenn du keine Angst hättest?«, war Allegras neuester Lieblingsspruch, der angeblich in der Facebook-Zentrale in Kalifornien an den Wänden hing und zu Als Leitmotiv geworden war.
Zoe dachte kurz nach. »Wenn ich keine Angst hätte, würde ich jetzt klopfen«, beantwortete sie ihre eigene Frage. Sie hob beherzt die zur Faust geballte Hand, setzte zum Klopfen an – und ließ die Hand doch wieder sinken. Wenn sie ehrlich war, hatte sie ganz tief in sich drin schon ein bisschen Bammel. Nicht nur vor dem Klopfen, sondern überhaupt. Vor dieser ganzen neuen Courage dieser ganzen neuen Zoe.
»Frauen und ihre Selbstzweifel. Kein Mann würde seinem Gehirn erlauben, ständig destruktiven Schrott zu denken«, würde Al sie jetzt schimpfen, wenn sie denn hier wäre. Zoe seufzte. Leider war Al nicht hier. Dann machte sie kehrt und ging zum Aufzug.
Unten angekommen wurde Zoe von Devon, dem doorman in seiner schicken dunkelblauen Uniform mit den glänzend polierten Goldknöpfen, begrüßt. »Hatten Sie einen guten ersten Morgen, Miss Zoe?«, fragte er.
Zoe war sich nicht ganz sicher, ob das eine reine Ami-Höflichkeitsfrage war oder eine »Ich weiß alles, bin ja schließlich hier der Portier«-Frage. Sie machte ein bemüht neutrales Gesicht, sprich, sie setzte alles daran, das sich anbahnende Grinsen aus ihrem Gesicht wegzupressen, und antwortete: »Wunderbar, ganz wunderbar. Danke der Nachfrage.«
*
Als Zoe schließlich aus den Four Seasons Executive Residences auf die 52nd Street trat, dampften sich gerade große Regenpfützen auf dem warmen Asphalt wieder ab, und es war merklich kühler geworden. Die Luft hatte jetzt etwas Knackig-Klares, als wäre sie mit Fensterputzmittel blitzblank gereinigt worden, und es wehte ein frischer Wind. Sie hatte die vom Fernsehpraktikanten für Sonntagmittag versprochenen heftigen Gewitter samt Temperatursturz ganz offenbar verschlafen.
Die HopStop-App auf ihrem Smartphone empfahl, für ihre Broadway-Expedition in die U-Bahn-Linie Nummer eins – 1 train – zu steigen und bis zur Endhaltestelle South Ferry Terminal zu fahren. Zoe lief also die 7th Avenue nach Süden und bog so dynamisch beim Majestic Deli & Diner in die 50th Street ein, dass sie fast eine menschliche Litfaßsäule umgerannt hätte, die mitten auf dem Bürgersteig stand. Der kleine, südamerikanisch aussehende Mann trug zwei riesige gelbe Werbetafeln an Riemen über der Schulter, eine vorne, eine hinten, die für ein » 24 hour breakfast special ALL you can eat
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