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New York für Anfaengerinnen

New York für Anfaengerinnen

Titel: New York für Anfaengerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Remke
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only $9.99 « warben.
    » Ops. Excuse me. I’m so sorry «, rief Zoe und machte rasch ein Foto von dem wandelnden Werbeplakat, das sie sofort online stellte.
    Als Zoe dann die ausgetretenen Treppen zur U-Bahn-Station hinunterstieg, lief sie auf halber Kellerhöhe an einer Art Einbuchtung in der Wand vorbei, die zu einem Ein-Raum-Friseur samt Schuhputzer führte. Haircut & shoe shine konnten gentlemans (sic!) hier für $16 + $2 gleichzeitig erledigen lassen. Frauen waren in dem Geschäftsmodell offenbar nicht vorgesehen, was sicherlich clever war, denn frau würde eher sterben, als sich freiwillig auf einem der drei speckigen Frisierstühle in Sichtweite tausender Passanten niederzulassen. Davon war Zoe überzeugt. Nichtsdestotrotz hatte dieses hole in the wall optisch einen sehr maroden Charme. Wie die Schwarzweißfotos der Holzachterbahnen auf Coney Island, die sie kürzlich im Magazin der Süddeutschen Zeitung gesehen hatte. Zoe stellte die Linse ihrer Kamera auf Schwarzweiß, macht ein Foto und öffnete die Ladentür.
    »Hi! Nicht gerade viel los heute, oder?«, sagte sie zu dem einsamen Ladenbesitzer, der in seinem eigenen Friseurstuhl saß, die Füße auf der Ablage unter dem Spiegel deponiert, und gelangweilt von der New York Post zu ihr hochschaute.
    »Wir schneiden keine Frauen«, antwortete er, auch wenn es grammatikalisch nicht viel Sinn ergab.
    Großartige Bildunterschrift, dachte sich Zoe, stellte das Foto auf ihren Blog und tippte darunter:
    Wir schneiden keine Frauen.
    Als Nächstes zog sie eine Metrocard aus dem Fahrkartenautomaten und betrat den Bahnsteig, der an diesem Sonntagnachmittag mit Touristen bevölkert war. Menschen, die Nikonkameras um den Hals hängen und Jeansjacken um die Hüften gebunden hatten und damit kämpften, ihre ausklappbaren Stadtpläne wieder in den Ursprungszustand zurückzufalten.
    Der 1 train war schon voll, als er in der Station anhielt, doch ein Mann stand freundlich lächelnd auf und bot Zoe seinen Sitzplatz an.
    »Bitteschön.«
    Zoe war sich nicht ganz sicher, wie sie die Geste interpretieren sollte. Würde der Typ sie jetzt anquatschen? Sie setzte sich zögerlich hin. »Danke.«
    »Ich steige ohnehin an der nächsten Station aus«, sagte der Mann, als wäre das freiwillige Herausrücken eines Sitzplatzes die normalste Geste der Welt. Vielleicht in einem Land, wo sich die Urlauber nicht um sechs Uhr früh die Wecker stellten, um die besten Liegen am Pool mit Handtüchern zu reservieren, dachte Zoe.
    Als der Gong zum Türenschließen schon ertönt war, rannte eine Frau, die die U-Bahn unbedingt noch erreichen wollte, den Bahnsteig entlang. » Hold the door, hold the door «, schrie sie. Der Mann, der Zoe gerade seinen Sitzplatz überlassen hatte, griff beherzt zwischen die sich schließenden Türen, stemmte eine wieder ganz auf und ließ die Frau an Bord schlüpfen.
    »Das gibt Ärger«, murmelte Zoe und malte sich schon die Kommentare der maulenden Mitfahrenden aus.
    »Das Aufhalten der Türen ist verboten! Wissen Sie das nicht?«
    »Wegen Ihnen hat der Zug jetzt Verspätung.«
    »Da hätte die Dame halt zwei Minuten früher aus dem Haus gehen müssen.«
    Doch nichts dergleichen passierte. Der allgemeine Konsens im New Yorker U-Bahn-Waggon schien irgendwo zwischen »Ist mir doch egal« und freundlicher »Da haben wir alle dem System mal wieder ein Schnippchen geschlagen«-Zustimmung zu liegen.
    Die Endhaltestelle South Ferry Terminal roch neu, sah neu aus und war wohl auch neu. Jedenfalls hatte sie funktionierende Rolltreppen sowie unbeschmierte, großflächige Mosaiks an den Wänden, die in Weiß, Silber und Gold die verschiedenen Phasen Manhattans zeigten. Oben am Ausgang warteten schon die verschiedensten fliegenden Händler auf ihre touristischen Opfer:
    »Tickets für Stadtrundfahrten. Ein- und Ausstieg jederzeit möglich!«
    »Hot Dogs! Brezen! Wasser!«
    »Souvenirs! Souvenirs! Souvenirs!«
    Ihre Kakophonie wurde nur noch übertönt von einer Ambulanz, die mit jaulender Sirene in die Water Street einbog.
    Für Zoe Schuhmacher war dieses New York zuallererst ein akustisches Phänomen. Schon die U-Bahn, mit der sie bis an die Südspitze Manhattans gefahren war, hatte gescheppert, gequietscht und gejault, manchmal abwechselnd, aber oft einfach im Chor. Die Lautsprecheransagen der nächsten Haltestellen waren ein unverständliches Gemisch aus statischem Pfeifen und einer dröhnenden, männlichen Stimme gewesen, das in den Ohren wehtat. Für Zoe Schuhmacher war

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