New York für Anfaengerinnen
sie.
Einfach so.
Erst ein bisschen vorsichtig, als würde er tatsächlich mit körperlicher Gegenwehr rechnen. Dann gierig – und vor allem richtig talentiert. In Nullkommanix befanden sich beide wieder im Bekleidungszustand ihrer Erstbekanntschaft, und Zoe saß auf McNachbars Schoß, die Beine hinter seinem Rücken verschränkt. Es war acht Uhr morgens.
Danke, liebes Universum, für die weise Eingebung, La Perla anzuziehen, fiel Zoe gerade noch ein.
*
Über die weiteren Begebenheiten verzeichnete Zoe Schuhmacher später gewisse Ausfallerscheinungen. Was damit zusammenhängen mochte, dass sie eine halbe Flasche Champagner intus hatte. Dass McNachbars Zunge unglaubliche Akrobatik-Akte auf nackter Haut vollführen konnte. Dass er roch wie Meerwasser, wie frisch gemähtes Gras und Sandelholz. Dass ihm die neue Zoe Sachen ins Ohr flüsterte, für die Amerikaner aus dem Mittleren Westen vermutlich Strafanzeige bei der Polizei stellen würden. Und dass Zoe nach ihrem One-Morning-Stand einfach einnickte, bevor sie McNachbar überhaupt fragen konnte, wer er eigentlich war, woher er kam, was er machte, warum er gerade sie … – und was Journalisten sonst noch so für W-Fragen stellten, wenn sie nicht gerade völlig verstrahlten Sonntagvormittagssex mit einem Fremden hatten.
Kurz bevor Zoe in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel, musste sie noch an Carrie Bradshaw denken. Die hatte einmal gesagt: »In New York City dreht sich alles um Sex. Um Leute, die gerade Sex haben, um Leute, die unbedingt welchen haben möchten, und um Leute, die einfach keinen kriegen. Kein Wunder, dass die Stadt niemals schläft. Sie ist zu sehr damit beschäftigt, flachgelegt zu werden.«
Als Zoe wieder aufwachte, lag sie sorgfältig zugedeckt auf ihrem Bett, und McNachbar war weg. Ihr Handy piepte.
Sitz 47A? Aus dem Flugzeug etwa?, hatte Al zurückgeschrieben.
Nein. Mein Nachbar. Apartment 47A.
WIE lecker ist er?
WAR er, ist wohl korrekter formuliert.
Sag bloß, du hast …
… McDreamy-lecker.
No way! You go, girl! Das nenne ich die neue Zoe!
Tja, wer hätte das gedacht?!
Aber … was ist mit deinen guten Vorsätzen? Karriere machen und keine Männergeschichten und so?
Ein Mädchen wird ja wohl noch seine Meinung ändern dürfen?! Außerdem will ich ihn ja nicht heiraten.
Friends with benefits also?
Freunde mit was?
Al war immer so verdammt gut informiert über diese coolen denglischen Wortspielchen, die man beim Cocktailabend oder auf einer Dinnerparty ganz lässig mal eben so von sich gab. Alle Beteiligten taten dann, als würden sie verstehen, um was es ging, und wären nicht im Geringsten beeindruckt, dabei waren sie natürlich super beeindruckt und rannten anschließend sofort aufs Klo, um per Handy zu googeln, was »oversexed and underfucked« denn nun bedeutete, was »early adopters« waren oder was »bromance« hieß.
Friends with benefits sind Freunde mit Beischlafbonus. So nennt man das, wenn man mit seinem besten Freund regelmäßig ins Bett geht, ohne Ansprüche auf irgendwas zu haben.
Außer auf guten Sex?
Außer auf guten Sex!
Geniales Konzept! Und völlig badezimmerspiegelregelkonform!
Manche Menschen buchen eine Rundfahrt in einem Doppeldeckerbus mit dreisprachigem Fremdenführer, um eine neue Stadt zu erkunden. Manche kaufen ein Ticket für ein albernes gelbes Amphibienfahrzeug, das irgendetwas mit duck heißt und zu Fluss und Land eine Stadt erobert. Andere beginnen am höchsten Punkt eines unbekannten Ortes, auf dem Eiffelturm etwa, um sich erst einmal eine Übersicht aus der Luft zu verschaffen.
Zoe Schuhmacher hatte eine ganz eigene Art, dem Wesen einer Stadt näherzukommen: Sie suchte sich die längste Straße aus, die quer durch die zu erkundende Metropole ging, fuhr, lief oder radelte sie ab und sah sich dabei die Menschen an. Sie war der Meinung, dass die Menschen und ihre (modischen) Marotten den Grundton einer Stadt ausmachten. Die geföhnten und solargebräunten Bussi-Bussi-Society-Ladies in München zum Beispiel, die dauerunterkühlten, in Barbourjacken gewandeten Hamburgerinnen, die eine Vorstufe der traditionellen Londonerin darstellten, oder die moderesistenten Urberliner, die gefühlt immer noch in einer von einer Mauer eingeschlossenen Frontstadt lebten, nur dass der Feind nicht mehr der Russe war, sondern der sich in Mitte einnistende Hipster-Besserwessi.
In ihrem letzten Blogeintrag für die StyleChicks -Kolumne hatte Zoe geschrieben: Bye-bye Berlin. Here I come, New
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