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New York für Anfaengerinnen

New York für Anfaengerinnen

Titel: New York für Anfaengerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Remke
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hochgeschlitztem Bleistiftrock nach vorne gebeugt, um kopfüber seine wallende blonde Mähne aufzuplustern. Zoe stand reichlich konsterniert auf der Türschwelle und starrte auf zwei pralle Pobacken, die ein männlicher Besucher sicherlich mehr goutiert hätte.
    »Hi, ich bin Madison«, sagte die Vornübergebeugte, die tatsächlich auch gerade stehen konnte. Etwas zu gerade für Zoes Geschmack. Nicht vorhandener Bauch rein, durchaus vorhandene Brust raus.
    Hallo! Gesetze der Statik, wo ist der Körperschwerpunkt dieser Frau?
    Dann winkte sie Zoe ins Großraumbüro. »Ihr Lieben, das muss Zoe Schuhmacher sein, die neue … ja, was eigentlich? … Digital-Dings. Seid nett zu ihr.«
    Digital-Dings?! Seid nett zu ihr?! Es gab Menschen auf der Welt, die man gleich nach dem ersten Satz erwürgen könnte.
    Zoe schaute sich um. Es war Anfang August. Sommerferienzeit. Die meisten Plätze waren leer. Die wenigen anwesenden neuen Kolleginnen zwischen den albernen amerikanischen Papptrennwänden sahen aber auch nicht viel anders aus als die alten in Berlin. Die meisten waren, je nach Ansichtssache, ein klein wenig unterernährt oder beneidenswerte Größe 0, bergdorf-blond und hatten ein London Face. Wollte heißen: Sie ließen sich die Haare im Salon des Luxuskaufhauses Bergdorf-Goodman bleichen, weil angeblich nur dieser die gewünschte Blondschattierung der Upper East Side herbeizuzaubern vermochte. Und: Sie waren scheinbar ungeschminkt, bis auf die sorgfältig in Feuerwehrrot angemalten Lippen.
    Ein London Face in New York – willkommen in der uniform globalisierten Welt.
    »Hallo«, grüßte Zoe in die Großraumrunde. »Ich bin der neue Senior Vice President Creative Digital Solutions.«
    »Sag ich doch«, meinte das blonde Gift und deutete mit dem Finger quer durch den Raum. »Du kriegst das Eckbüro da drüben. Komm, ich zeige es dir.«
    Ganz offensichtlich war Zoe karrieretechnisch vom Gemeinschaftszelt der Indianer ins Solo-Tipi eines Unterhäuptlings gewechselt. Mit Zweisitzersofagarnitur und Topfpflanze, wie es sicherlich irgendwelche Betriebsbürogrundausstattungsvorschriften besagten. Auf dem Schreibtisch stand schon eine Pappbox mit ihren neuen Visitenkarten. Blondie setzte sich uneingeladen mit einer Pobacke auf Zoes Schreibtisch, das eine Bein auf dem Boden, das andere lasziv über ersteres drapiert.
    »Jetzt erzähl mal, wie DU dir DIESEN Top-Job geangelt hast«, raunte sie in einem süßlich-vertraulichen Ton, als würde sie Zoe schon mindestens aus Barbiepuppenzeiten kennen. »Du kannst mit dem Zeitschriftenvorstand SEHR gut, nicht wahr?«
    Die Frage war entweder ziemlich dreist oder ziemlich dämlich. »Wir schätzen uns gegenseitig«, antwortete Zoe deshalb bemüht neutral. Sollte die blonde Zicke doch denken, was sie wollte. Würde sie ja ohnehin tun.
    »Na, das kann ja wohl nicht alles sein.«
    »Abgesehen davon bin ich verdammt gut in dem, was ich tue«, schoss Zoe zurück.
    »Ach so«, antwortete Madison. Über diese Variante hatte sie offenbar noch gar nicht nachgedacht. »Und was genau tust du jetzt hier eigentlich so?«
    »Als Erstes werde ich ein bisschen scouten«, erklärte Zoe geduldig. »Andere Medienunternehmen besuchen, mehr über deren digitale Strategie herausfinden und wie sie gedenken, damit Geld zu verdienen. Heute Nachmittag bin ich zum Beispiel bei der New York Times . Nebenher schreibe ich noch meine Kolumne auf StyleChicks . Und dann wollen wir demnächst online auch noch neue Channels einführen. Kunst, zum Beispiel. Und Partnerschaft.«
    »Channels?«
    »Das sind so was wie Themenfelder.«
    »Ja, ja, die schöne neue Welt«, zwitscherte Madison, der das offenbar zu viele zu verarbeitende Informationen auf einmal waren, hob ihre Pobacke von Zoes Schreibtisch und entschwand zur Bürotür hinaus.
    Zoe blickte ihr kurz hinterher und machte sich eine mentale Notiz: Nicht über den Weg trauen. Dann schaltete sie den Computer an. Sie überkam die irrationale Hoffnung, eine Mail von McNachbar im Postfach zu haben. Was natürlich völlig unmöglich war, weil er ihre E-Mail-Adresse gar nicht kannte. Gestern Abend, nach ihrer Broadway-Expedition, hatte sie geglaubt, Geräusche aus Apartment 47A zu hören. Musik und so etwas wie Tellerklappern beim Tischdecken oder dem Einräumen der Spülmaschine. Sie hatte, das Ohr an ihre Wohnungstür gepresst, ganz still dagestanden und sogar den Atem angehalten – bis ihr schwindelig wurde und sie sich ziemlich albern vorkam. Wie eine Zwölfjährige, die

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