Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
New York für Anfaengerinnen

New York für Anfaengerinnen

Titel: New York für Anfaengerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Remke
Vom Netzwerk:
oberhalb der Knöchel endeten. »Nimm’s nicht so schwer. Einen solch erinnerungswürdigen Erstauftritt hatte hier noch keine.«
    »Danke, sehr tröstlich. Und wie lief’s noch?«
    »Der ganzkörpergebügelte Fiorino hat eine aalglatte Antrittsrede gehalten und von Synergien gefaselt, von Kooperationen und davon, dass die Silo-Strukturen des Hauses aufgebrochen werden müssen.«
    »Er sieht ein bisschen aus wie McDreamy, findest du nicht?«
    »McSchleimi passt besser, finde ich.«
    Zoe zwang sich aus ihrem Versteck, um eine Schadensbestandsaufnahme vor dem Spiegel zu machen. Ihre vom Heulen verschmierte Wimperntusche ließ sie wie ein kleiner Waschbär aussehen, mit großflächig schwarz umrandeten Augen.
    »Schicker Look, Zoelein«, versuchte Eros, den Zoe immer sympathischer fand, sie zu trösten. »Kate Moss war mit ihrem Heroin-Chic einst auch sehr erfolgreich.«
    »Kate Moss war – und ist – zehn Kilo leichter als ich.«
    »Gräme dich nicht, Zoe. Ich habe etwas für dich.«
    Er hielt ihr ein kleines Büchlein entgegen. Es war ziemlich abgegriffen, hatte Eselsohren an den Ecken und einen Tintenfleck auf dem Cover.
     
    New York für Anfängerinnen Eine Fibel für kulturgerechtes Verhalten unter Amerikanern
    kuratiert von New York Girl
     
    »Was soll das denn sein?«
    »Das ist deine neue Bibel«, sagte Eros feierlich.
    Zoe hatte es nicht so mit Religion. Sie sah sich als eine Art U-Boot-Christin, die immer nur zu Ostern und Weihnachten in der Kirche auftauchte. Sehr zum Leidwesen ihrer Oma. Außerdem bestellte Zoe ganz gerne beim Universum, was die Oma erst recht nicht wissen durfte. Freie Parkplätze, zum Beispiel, und andere sehr weltlich-schnöde Dinge dieser Art. So begutachtete sie Eros’ »Bibel« erst einmal etwas misstrauisch.
    »Da steht alles drin«, erklärte Eros, »was du über die Spezies der Amerikaner wissen solltest. Du musst mir dein Indianer-Ehrenwort geben, die Bibel gut zu behandeln und absolut-niemals-nie zu verlieren. Sie ist mindestens zehn Paar Manolo Blahniks wert.«
    »Ist ja schon gut. Ich hab’s kapiert.«
    Sie drehte und wendete das Ding, konnte aber Eros’ Ehrfurcht vor dem Werk nicht ganz nachvollziehen. Ganz offensichtlich war die Fibel selbstgemacht und in einem billigen Copy-Shop laminiert worden.
    »Hast du das etwa geschrieben und selbst verlegt?«
    »Dazu wäre ich gar nicht fähig. Ein solch brillanter Beobachter der amerikanischen Gesellschaft bin ich leider nicht.«
    »Wer ist dann bitte schön dieses New York Girl?«
    »Das war die erste Deutsche, die hier im Büro vor Jahren angefangen hat. Sie fand, man könne in New York nur überleben, wenn man sich mit diesen ganzen ungeschriebenen Regeln der hiesigen Gesellschaft auskennt. Das Buch ist schon durch so viele Hände gegangen und immer aktualisiert worden. Wir geben es nur an besonders nette Neuankömmlinge weiter, Zoe. Fühl dich geehrt. Du bist jetzt eine von uns.«
     
    Unter den mitleidigen Blicken der Kolleginnen und bewaffnet mit der heiligen Schrift schlich sich Zoe in ihr Eckbüro zurück und simste erst einmal Allegra von den ungeheuren Vorkommnissen des Vormittages.
     
    Habe mit dem neuen Chef geschlafen. Und auf den Konferenztisch gekotzt.
    Sex im Büro? Zoelein, du bist ja nicht wiederzuerkennen! Aber: War’s denn so übel?
    McNachbar ist der neue Chef!
    RUF! MICH! SOFORT! AN!
     
    »Jetzt sag endlich was, Zoe«, rief Allegra und guckte sie mit erwartungsvollen Augen aus dem Bildschirm an. Doch Zoe, die an ihrem Schreibtisch saß und den Kopf auf den vor ihr verschränkten Armen liegen hatte, schwieg.
    »Ist dir etwa schlecht? Stehst du unter Schock?«, bohrte Allegra in einem Ton weiter, der durchaus amüsiert klang.
    »Das! Ist! Nicht! Witzig!«, brach es aus Zoe heraus, und sie hob den Kopf.
    »Na, irgendwie schon. Du gehst nach New York, um Karriere zu machen, nichts als Karriere, und als Erstes schläfst du mit dem neuen Chef. Du hast echt ein Händchen für Männer, meine Liebe.«
    Jetzt hatte Zoe genug. »Das musst DU gerade sagen!«, giftete sie.
    Allegra war nicht unbedingt die moralische Instanz, mit der frau sich über Männer unterhalten sollte. Zoe kannte sie zwar, seitdem beide Praktikantinnen im Schönhoff Verlag gewesen waren, und hatte sie immer insgeheim für ihr Teflon-Selbstbewusstsein bewundert, an dem Kritik jeglicher Art einfach abperlte. Aber Allegra hatte das angeborene Talent, sich immer den falschen Mann auszusuchen. Fanden zumindest alle, die sie kannten. Ihr selbst

Weitere Kostenlose Bücher