New York für Anfaengerinnen
Freunde zur Beerdigung aufgetaucht war. In der Abiprüfung war Zoe gefragt worden, was denn das grüne Licht zu bedeuten habe. Hmmm – die Hoffnung auf eine bessere Zukunft vielleicht? Bingo!
»Jetzt weißt du alles über mich«, holte Tom sie aus ihren Gedanken wieder nach Brooklyn zurück und strich ihr mit einem Finger ganz langsam den Rücken hinunter. Zoe bekam eine angenehme Gänsehaut.
»Ich weiß nicht annähernd genug.«
»Willst du noch auf einen Absacker in meinen ganz persönlichen IKEA-Showroom hinaufkommen?«, fragte Zoe, als sie später wieder an ihrem Gartenzaun in der President Street angelangt waren.
»Weißt du, wie Absacker eigentlich heißen sollten?«, antwortete Tom mit einer Gegenfrage.
»Nein, wie?«
»Abschlepper.«
Zoe stöhnte. »Ich will Sie nicht verführen, Mr. Fiorino. Ich will Ihnen lediglich noch ein letztes Glas Wein gönnen. Aus nagelneuen Limogläsern mit dem schicken Namen GODIS, was übersetzt so viel heißt wie Göttin.«
»Du kannst Schwedisch?«
»Nein. Freie Interpretation. Also, was ist jetzt?«
Tom überlegte, als müsse er eine der schwierigsten Entscheidungen seines Lebens treffen. Jaguar oder Austin Martin? Die Villa auf St. Barts oder das Anwesen auf Nantucket? Zoe hatte langsam genug von seinem ständigen Geziere. Er benahm sich in ihren Augen wie ein pubertierendes Mädchen.
»Und überhaupt«, fragte sie, »wäre es denn so schlimm?« Die Karaffe Sancerre bei Frankie’s hatte sie mutig gemacht. Oder übermütig.
»Was?«
»Wenn es noch einmal passieren würde?«
»Nein, natürlich nicht. Das heißt, ja, natürlich schon.«
Zoe sah sich bestätigt. »Du hast die Logik einer Dreizehnjährigen, mein Lieber. Dieser eine Samstagvormittag war also dermaßen grausam, dass er nicht wiederholt werden sollte?«, fragte sie provozierend.
Jetzt – endlich, für Zoes Geschmack – platzte Tom der sauber abgesteppte Kragen seines blassrosa Hemdes. »Zoe Schuhmacher, mach es mir nicht noch schwerer, als es ohnehin schon ist!«
»Ich weiß überhaupt nicht, was dein Problem ist«, blaffte Zoe zurück. »Befindest du dich nach zwanzig Jahren Absackern mit jedem Upper East Side Girl, das bei drei nicht auf ihrer Penthouseterrasse war, plötzlich in deiner viktorianischen Phase? Ich kann dich beruhigen. Selbst Mr. Darcy und Elizabeth haben ein Happy End bekommen. Oder ist dir mein Stammbaum einfach nicht gut genug?«
»Zoe, dein Sarkasmus in allen Ehren. Ich versuche, ein Mal in meinem Leben das Richtige zu tun.« Tom atmete tief durch und stützte sich auf den schmiedeeisernen Gartenzaun. »Du hast verdammt viel Talent für deinen Job. Du willst dich ganz auf deine Karriere konzentrieren. Dann sollst du dich auch ganz darauf konzentrieren. Und nicht auf mich. Ich bringe nur alles durcheinander.«
Zoe hätte vor Wut am liebsten wie ein kleines Mädchen mit dem Fuß aufgestampft. »Erstens: Darf ich bitte selbst entscheiden, was gut für mich ist? Und zweitens: Sei doch endlich ehrlich und sag mir ins Gesicht, dass es eben nicht für mehr gereicht hat als für einen One-Morning-Stand.« Tränen schossen ihr in die Augen, und sie drehte sich von ihm weg, damit er es nicht sah.
Tom legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie trotz Gartenzauns ganz nah an sich heran. »Ich fand dich großartig. Von der ersten Minute an«, sagte er leise. »In deiner nicht zusammenpassenden Unterwäsche auf dem Flur. Die Nachwuchs-Weltkrisenreporterin, die jetzt die Schlachtfelder der Zickenkriege beackert und beim Spiegeleierbraten fast ihre Wohnung abfackelt.«
»Du stehst also auf dämliche, schlecht gekleidete, hilflose Hühner, die ihren Lebenstraum nicht umsetzen können und aus Versehen Selbstmord begehen?«, schniefte Zoe.
»So war das nicht gemeint, und das weißt du auch.« Er machte eine kurze Pause, schob die Finger unter Zoes Kinn und hob es an, sodass sie ihm direkt ins Gesicht sah. »Und jetzt fahre ich heim. Mit der U-Bahn übrigens. Victor hat heute Abend nämlich frei.«
NOVEMBER
Chelsea Hotel oder: Der Geist des Rebellen-Mekkas von New York
Ein legendärer, aber ziemlich in die Jahre gekommener Kasten an der 23rd Street. Wer dort absteigt, wohnt Zeitgeschichte. The Greatful Dead hat hier schon auf dem Dach gespielt, Sid Vicious von den Sex Pistols ziemlich wahrscheinlich seine Nancy erstochen und Arthur Miller, frisch getrennt von Marilyn Monroe, an Nach dem Sündenfall geschrieben.
Während der seit Jahren andauernden Renovierungsarbeiten dürfen
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