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New York für Anfaengerinnen

New York für Anfaengerinnen

Titel: New York für Anfaengerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Remke
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VISION das Ruder übernommen hatte, flog nicht nur der ein oder andere Papierkorb durch die Luft, wenn etwa eine Legeseite nicht seinem Tagesgeschmack entsprach, sondern auch die ein oder andere Mitarbeiterin raus. Drei Stück in den ersten drei Tagen. Behauptete zumindest der Flurfunk.
    Als Zoe also um kurz vor fünf Uhr an diesem Mittwochmorgen den Konferenzraum betrat, saß Eros schon vor dem Videokonferenzmonitor, hatte den Kopf auf seine auf dem Tisch verschränkten Arme deponiert und schielte mit einem halb geöffneten Auge auf den Bildschirm, der aber nur flimmerte.
    »Wenn die verdammte Schalte heute nicht zustande kommt und ich umsonst aufgestanden bin, beiße ich in den Tisch«, maulte er.
    »An uns kann es nicht liegen«, sagte Zoe und überprüfte die Computereinstellung noch einmal. Wir sind online.«
    Sie warteten.
    Plötzlich flackerte das Bild. Eine zaghafte Kollegin aus dem stets belächelten Gesundheitsressort war im Bild.
    »Die haben schon ohne uns angefangen«, nörgelte Eros.
    »Was ist eigentlich mit meiner investigativen Geschichte über die illegalen Hormonzusätze in der Anti-Faltencreme, die insbesondere Schwangeren schaden?«, fragte die Gesundheitsfrau. »Geht die diesen Monat mit? Ich habe dafür sechs Wochen lang recherchiert und mich sogar als Fließbandarbeiterin in die Fabrik eingeschmuggelt. Allein das Honorar für die Beweisfotos des Fotografen hat uns 10.000 Euro gekostet. Und wir haben für online sogar Videos gedreht.«
    »Das ist doch ein alter Hut«, wiegelte der Papst ab, der die Geschichte ursprünglich »am besten gestern noch« persönlich bestellt hatte. »Hab ich schon tausend Mal gelesen.«
    »Das kann nicht sein. Sie haben gestern erst mein Manuskript bekommen. Wir haben die Geschichte weltexklusiv aufgedeckt. Über den Skandal hat noch niemand geschrieben.«
    »Interessiert mich nicht. Überhaupt ist das Ganze so fürchterlich unappetitlich, findet ihr nicht auch, Kinders? Verstümmelte Embryos und so. Da fällt mir ja mein Magermilchjoghurt beim Frühstück aus der Hand.«
    Dann realisierte der liebe Herr Papst ganz offensichtlich, dass die Außenredaktionen jetzt auch zugeschaltet waren. Zoe war mit einem Mal hellwach.
    »Ach, New York hat sich auch zur Konferenz bequemt«, begann er.
    Zoe, die ihre potentielle Enthauptung hinter sich haben wollte, unterbrach ihn einfach und sagte: »Und gleich vorneweg zu ihrer Info, Herr Papst. Das mit den Interviews hat leider nicht geklappt.«
    »Welche Interviews?«
    Zoe wusste gar nicht, was sie antworten sollte. Hörte der Papst schlecht? »Na, mit Michelle Obama, Hillary Clinton und Maria Shriver.«
    »Ach so«, winkte der Papst lässig ab. »Das hat Zeit.« Dann wendete er sich dem Moderessort zu.
    Zoe sah Eros an. Eros sah Zoe an. Beide griffen gleichzeitig nach dem Tonregler der Anlage, um ihn auf stumm zu stellen.
    »Entweder befindet sich Voldemort im Anfangsstadium einer Alzheimererkrankung oder es ist seine Masche, jede Woche einen neuen Redakteur durchs Dorf zu jagen«, meinte Zoe.
    »Ich vermute mal Letzteres«, sagte Eros, stand auf und legte sich auf das Besuchersofa neben dem Konferenztisch. »Weck mich um neun.«
     
    *
     
    Zoe war zu wach, um jetzt noch ein paar Stündchen zu schlafen. Stattdessen räumte sie ihren Schreibtisch auf. Sie war zwar eine Verfechterin der Theorie, dass nur Anfänger Ordnung brauchten, Genies hingegen das Chaos beherrschten. Aber auch Chaos hatte seine Grenzen. Gegen neun Uhr flip-floppte das blonde Gift geräuschvoll in Zoes Büro, musterte den sauberen Schreibtisch und flötete: »Na, du warst aber heute schon früh fleißig.«
    »Sehr witzig, Madison. Was gibt’s?«
    »Tom möchte heute mit dir Mittagessen gehen.«
    »Tom Ford«, rief Zoe überrascht und sprang auf.
    Madison schaute sie verständnislos an, wie es Papageien tun, wenn seltsame Menschen vor ihren Käfigen herumhampelten und versuchten, ihnen in quietschigen Sopranstimmen das Sprechen beizubringen.
    »Tom Fiorino.«
    »Nicht Tom Ford?«
    »Nicht T-o-m F-o-r-d. Willst du es schriftlich?«
    Zoe sank enttäuscht auf ihren Stuhl zurück. »Ich kann ohnehin nicht. Ich habe einen Termin im Showroom von Jason Wu und lunche anschließend mit seinem publicist .«
    Zoe schämte sich insgeheim immer noch für die Sache am Gartenzaun. Wenn sie nur an Frauen dachte, die needy waren, gruselte es sie schon. Jedes Mal, wenn Zoe vergangene Woche hier im Büro auf den Aufzug wartete, hatte sie deshalb inständig das Universum

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