New York für Anfaengerinnen
musste.
»Zieh dir um Himmels Willen was an«, antwortete Zoe und hielt sich verbissen mit beiden Händen unter der Decke die Augen zu. Es gab Dinge, die man einfach niemals-nicht sehen wollte. Etwa die Verlegerin in der Sauna. Oder Helmut Kohl. Womöglich noch mit neuer Gattin.
»Wo sind wir hier?«, wollte Zoe wissen.
»Na, bei mir zu Hause im Chelsea Hotel«, antwortete Eros, als wäre es das Natürlichste der Welt, in einem der legendärsten Hotels des Planeten dauerzuwohnen.
»Du wohnst im Chelsea Hotel? Das ist ja sensationell!«
»Und du bist beim Tanzen sturzbetrunken von der Theke gefallen. Das war auch sensationell.«
»Mit oder ohne BH?«
»Ohne.«
»Hab ich wenigstens dabei eine gute Figur abgegeben?«
»Wie Marylin Manson beim Stage Diving.«
»Na, herzlichen Dank. Wieso habe ich eigentlich auf deinem Sofa geschlafen?«
»Ich konnte dich nicht heimbringen, weil du mir deine New Yorker Adresse nicht verraten wolltest. Du hast darauf bestanden, in der Husemannstraße am Prenzlberg zu wohnen. Das war mir dann doch zu weit weg.«
»So schlimm?«
»So schlimm! Wer war das vorhin eigentlich am Telefon?«
»Das war der Papst. Er hat mir freundlicherweise mitgeteilt, dass er mich doch nicht rausschmeißen wird.«
»Er wollte dich feuern?«
»Und wahrscheinlich irgendeinen seiner Buddys, der gerade versorgt werden muss, nach New York schicken. Tut er jetzt aber doch nicht.«
»Weil er dein Geliebten-Stück gut findet.«
»Ich glaube, das Wort gut existiert in seinem Wortschatz nicht. Er fand es ‚nicht schlecht‘.«
Eros schmunzelte. »Der Kerl kann seine Gefühle halt nicht so richtig ausdrücken.« Dann fiel ihm ein: »Hast du eigentlich dieses verdammte Interview bekommen?«
Höflichkeit oder: Warum man auf die Frage »How are you« nie den aktuellen Gesundheitszustand erläutern sollte
Amerikaner meinen – ähnlich wie Frauen – nicht immer, was sie sagen. Sie meinen es eigentlich so gut wie nie. Wenn ein Ami also das übliche »Hi, how are you?« fragt, will er eigentlich nur »Fine, how are you?« als Antwort hören, und es ist ihm völlig egal, ob gerade das Haus gepfändet oder der Hund überfahren wurde. Amerikaner sind geradezu verblüfft, wenn der Deutsche erfreut ausholt und detailliert seinen Gesundheitszustand erklärt. Zum Beispiel, dass er wegen seines schleimigen Hustens vergangene Nacht nicht richtig schlafen konnte.
Sehr knifflig ist auch die Sache mit dem Nein. Das Wort Nein kommt im Allgemeinen im amerikanischen Wortschatz nicht vor. Kritik wird ins vermeintlich Positive verdreht. Wenn man also einen Amerikaner fragt, wie ihm der Kinofilm Battlefield Earth nach dem gleichnamigen Roman von Scientology-Gründer L. Ron Hubbard gefallen hat, wird er sagen: »It was really interesting.« Was so viel heißt wie: Der Streifen war grottenschlecht.
( New York für Anfängerinnen , S. 107)
Zoe Schuhmacher hatte natürlich auf die Schnelle kein verdammtes Interview bekommen. Weder mit Michelle Obama. Noch mit Hillary Clinton. Und ebenfalls keines mit Maria Shriver. Ihr graute es vor der nächsten Konferenz. Ein zweites Mal würde sie nicht so viel Glück haben mit dem werten Herrn Papst. Doch dann hatte sie eine Idee. Eine geradezu fabelhafte Idee. Hatte der legendäre Tom Ford ihr nicht ein Interview zugesagt? Ein exklusives noch dazu? Nach dem unkomplizierten Kennenlernen im Gramercy Hotel hatte er doch auf-der-Stelle-sofort-gleich zu einem informellen Lunch mit ihr eingewilligt.
» We HAVE to meet for lunch. I’d LOVE to continue our amazing conversation, my dear Zoe.
My dear Zoe war gerettet! Kurz bevor Voldemort sie mangels Politikerinnen-Interview vielleicht doch noch rausschmeißen würde, würde sie einfach das Gespräch mit Tom Ford zücken. Das war zwar wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen, oder in ihrem Fall Politikerinnen mit Haute-Couture-Designern, aber was soll’s. Mit diesem Ablenkungsmanöver könnte sie vielleicht durchkommen.
Sie suchte nach der E-Mail, die ihr der eine Tom mit der Nummer des anderen Toms hatte zukommen lassen. Das Tolle an Amerikanern, freute sich Zoe bestgelaunt über ihren grandiosen Einfall, war ja grundsätzlich, wie unglaublich zugänglich selbst die Wichtigsten auf höchster Flughöhe waren. Und so wählte my dear Zoe erwartungsvoll die Nummer.
Das wird mir ein goldenes Fleißsternchen bei Voldemort einbringen.
»Büro Tom Ford«, tönte es am anderen Ende der Leitung.
»Hier ist Zoe Schuhmacher von der
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