New York - Love Story
Gabentisch einen Platz für
das in pinkfarbenes Papier gewickelte Geschenk, während
Gwyn und Gwen sich bereits zum Buffet aufmachen.
Keine Süßigkeiten!
Madeleine hat mir ihre Ernährungs-
Maxime Nummer eins vorab noch mal eingeschärft. Wie ich
diese Regel angesichts der Candy-Bar mit ihrem reichen Angebot
an Lollis, Jelly Beans, Popcorn, Törtchen und Schokoriegeln
durchsetzen soll, hat sie mir allerdings nicht verraten.
»Vielen Dank für die Einladung«, wende ich mich höflich
an die Gekrönte, die wohl Mrs Phillips sein muss. »Ich soll Sie
von Mrs Carter grüßen, es tut ihr sehr leid, dass sie nicht kommen
konnte, und ich soll Sie nach dem Floristen fragen …«
Weiter komme ich nicht.
»Die Nannys sitzen dort«, erklärt mir die Königin-Mutter
und zeigt in Richtung eines Tisches in der Ecke, an dem mehrere
Frauen zusammen Kaffee trinken. »Ich muss mich jetzt
wieder um unsere erwachsenen Gäste kümmern.« Sie nimmt
die Krone ab und verschwindet durch eine breite Flügeltür
aus diesem Deko-Albtraum.
Unschlüssig schaue ich zu Gwyn und Gwen, die sich ihre
Teller an der Candy-Bar vollschaufeln. Eine der Frauen am
Nanny-Tisch winkt mir auffordernd zu. Sie ist etwas älter als
ich und hat das ganze Gesicht voller Sommersprossen.
»I’m Brenda«, stellt sie sich vor, als ich mich zu ihnen setze,
und rattert dann in schneller Folge die anderen Namen herunter.
»Du bist aber noch ziemlich jung. Wie lange arbeitest du
schon als Nanny?« Eine etwas ältere Frau mit osteuropäischem
Akzent wendet sich mir zu. Roberta war ihr Name,
wenn ich mich richtig erinnere.
»Äh, ich bin bloß für sechs Wochen hier als Au-pair«, erkläre
ich.
»Ah, Au-pair«, wiederholt sie und nickt. »Ich mache den
Job schon seit zehn Jahren. Ist meine vierte Stelle. Jeremiah,
meine ich.« Sie zeigt auf den Ritter auf dem Plüschpony, der
gerade mit dem Holzschwert eine Prinzessin abwehrt, die offensichtlich
auch gerne reiten würde.
»Ich bin seit vier Jahren dabei, Mary-Ann ist aber schon
mein drittes Kind«, mischt Brenda sich ein. Ihr Finger wedelt
unbestimmt in Richtung einer Horde kleiner Mädchen,
die sich gegenseitig rosafarbene Zuckerwatte in die Haare
schmieren. »Eigentlich studiere ich Politikwissenschaften,
aber von irgendwas muss man ja leben.«
Die Frauen sind alle schon mindestens drei Jahre als Nannys
tätig, Penelope, eine stämmige Südamerikanerin, sogar
schon zwanzig Jahre. Es ist klar, dass ich mit meinen sechs
Wochen nicht in den inneren Zirkel vordringen kann. Dennoch
nippen wir einvernehmlich an unseren Kaffeetassen,
und ich lausche mit wachsendem Unglauben den Storys, die
die Nannys aus ihren Familien erzählen.
»Jeremiahs Eltern sind geschieden. Er lebt immer eine
Woche bei seiner Mom und eine bei seinem Dad. Und ich
muss jedes Mal mit ihm umziehen. Natürlich ist keiner von
beiden viel zu Hause …«
»Ich konnte meine Prüfungen letztes Semester nicht machen,
weil Mary-Anns Mutter ausgerechnet in der Prüfungswoche
zur Erholung von ihrem stressigen Alltag auf eine
Beauty-Farm fahren wollte. Und wer außer mir hätte auf das
Kind aufpassen sollen?«
»Maximilian ist sehr aggressiv. Neulich ist er mit dem Küchenmesser
auf mich losgegangen. Keine Ahnung, wie er
drangekommen ist, eigentlich bewahrt seine Mutter die Messer
im obersten Schrankfach auf. Die Wunde musste genäht
werden, so hat es geblutet. Hier …« Penelope zeigt mir eine
lange rötliche Narbe an ihrem Unterarm.
Ich schüttele den Kopf. »Warum macht ihr diesen Job?«
Penelope streift ihren Ärmel wieder runter und lacht. »Weil
irgendjemand ihn machen muss.«
Bei dem Plüsch-Pony bricht ein Tumult aus. Jeremiah sitzt
noch immer im Sattel, doch mittlerweile hängen vier Prinzessinnen
an seinen Füßen und versuchen, ihn vom Pferd zu
zerren, allen voran das Geburtstagskind. Als der Junge feststellt,
dass das Schwert seine abschreckende Wirkung verloren
hat, wirft er es weg und krallt sich stattdessen in Jennifers
Locken. Die Kleine kreischt, Jeremiah brüllt, und die anderen
drei Prinzessinnen fangen an zu flennen, als sie unsanft von
seinen Schuhen getroffen werden.
Roberta springt auf und ist mit ein paar schnellen Schritten
bei dem Pony angelangt.
»Genug jetzt«, erklärt sie freundlich, aber streng, und hebt
ihren Schützling aus dem Sattel. »Die anderen wollen auch
mal reiten.«
Kaum hat Jeremiah das Pony geräumt, stürzen sich die vier
Prinzessinnen darauf, schieben und schubsen, ziehen und
zerren, um als Erste in
Weitere Kostenlose Bücher