New York - Love Story
Madeleine mich, um ihren Mund liegt
der unwillige Ausdruck, den ich bei ihr bereits so gut kenne.
In einem hellgrünen Kostüm mit knielangem Rock sitzt sie
auf dem weißen Ledersofa, die schlanken Beine elegant übereinandergeschlagen,
und blättert gelangweilt in einer Modezeitschrift.
Gwyn und Gwen kann ich nirgendwo entdecken.
»Sorry«, entschuldige ich mich und versuche zu erklären,
dass ich im New Yorker Straßengewirr herumgerannt bin
und darüber die Zeit vergessen habe.
»Ich möchte, dass du dich an unsere Absprachen hältst«,
fällt sie mir ins Wort. Doch dann lächelt sie mich mit roten
Lippen an und weist auf den Ledersessel ihr gegenüber. »Setz
dich einen Moment.«
Verwirrt nehme ich Platz, meinen Rucksack stelle ich neben
mich auf den Boden. Der Sessel ist genauso unbequem wie
das Sofa, das ich von meinem ersten Abend noch in schlechter
Erinnerung habe. Was will Madeleine von mir? Bisher hat sie
sich kein einziges Mal länger mit mir unterhalten. Hoffentlich
folgt jetzt keine Strafpredigt.
Als hätte sie meine Gedanken gelesen, erklärt Madeleine:
»Wir hatten bisher kaum Gelegenheit, miteinander zu sprechen.
Mein Mann und ich sind zurzeit sehr beschäftigt.«
Ja, das habe ich bemerkt.
»Trotzdem möchte ich, dass du dich bei uns wohlfühlst.
Natürlich bist du als Au-pair in erster Linie hier, um Gwyneth
und Gwendolyn zu betreuen. Aber du solltest auch New
York ein bisschen besser kennenlernen.«
Hört, hört.
»Der heutige Tag lässt mich vermuten, dass es für dich
kompliziert sein muss, dich in einer so großen Stadt zurechtzufinden.«
Sie sieht mich an, als wäre ich ein dummes Mädchen vom
Lande, womit sie ja nicht ganz unrecht hat. Mal davon abgesehen,
dass in unserem Dorf mehr Kühe als Menschen wohnen,
finde ich selbst Berlin verglichen mit New York recht
überschaubar. Auch wenn der Dreadlock-Typ behauptet hat,
New York sei ein Dorf! Ich nicke also.
»Deshalb habe ich mir gedacht, dass ich David bitten werde,
einen Sightseeing-Trip für dich zu organisieren.« Madeleine
lächelt mich wieder an, als hätte sie mir ein tolles Geschenk
gemacht.
»David?« Keine Ahnung, von wem sie spricht.
»Mein Sohn«, erwidert sie, als müsste ich das wissen. »Der
ältere Bruder von Gwyneth und Gwendolyn.«
Ach, der Sohn, von dem meine Mutter gesprochen hat.
Das Baby auf dem Foto!
»Er geht aufs College, aber er hat seine Prüfungen gerade
abgeschlossen. Er kommt morgen nach Hause.«
»Okay«, erkläre ich und zucke mit den Schultern. Ich weiß
nicht, ob ich mich freuen soll. Ich habe ja keine Ahnung, was
dieser David für ein Typ ist.
Madeleine scheint nicht zu bemerken, dass mir etwas unwohl
bei dem Gedanken ist, mit einem wildfremden Kerl
durch New York zu ziehen. Mit ihren rot lackierten Nägeln
kämmt sie sich durch die Föhnfrisur.
»Oh nein, morgen geht es ja nicht«, fährt sie wie im Selbstgespräch
fort. »Morgen ist die Geburtstagsfeier bei Jennifer
Phillips. Da ich morgen ein wichtiges Meeting beim Komitee
zur Förderung junger Künstler habe, wirst du Gwyneth
und Gwendolyn dorthin begleiten. Bitte richte Mrs Phillips
meine Grüße aus und frag sie, bei welchem Floristen sie die
Dekoration für das letzte Dinner hat anfertigen lassen, ich
fand die Arrangements sehr originell.«
»Okay.«
Kindergeburtstag, na super!
»Fine.« Madeleine klatscht in die manikürten Hände.
»Dann sage ich David, dass er es am Montag einrichten soll.«
»Okay«, sage ich. Und schiebe schnell bemüht begeistert
»Thank you« hinterher.
Ich bin mir nicht sicher, was die größere Herausforderung
wird: der Kindergeburtstag oder der Sightseeing-Trip.
Ich will aufstehen, meinen Rucksack in mein Zimmer
bringen und mich danach wie vereinbart um die Zwillinge
kümmern, doch Madeleine ist noch nicht fertig.
»Warte mal.« Sie reicht mir ein Päckchen, das bislang unbeachtet
neben ihr auf dem Sofa lag. »Damit du mich in
Zukunft benachrichtigen kannst, wenn du dich aus irgendeinem
Grund nicht an eine Verabredung halten kannst. Was
hoffentlich nicht wieder vorkommt.«
Ich nehme das Geschenk entgegen und starre es verblüfft
an: ein kleines silbernes Handy.
Du meine Güte!
»Thank you.« Dieses Mal ist meine Begeisterung nicht gespielt.
»Das ist fantastisch!«
Madeleine nickt, als wäre es überhaupt nichts Besonderes,
mir ein Handy zu schenken.
»Meine Nummer ist eingespeichert.« Damit wendet sie sich
wieder ihrer Modezeitschrift zu. Das bedeutet wohl, dass ich
jetzt gehen kann.
Bevor wir
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