New York - Love Story
Sachen nicht, aber meine
Mom hat mir vor dem Abflug einen Umschlag mit Dollarscheinen
zugesteckt. Für diese beiden Neuerwerbungen sollte
es reichen. Bevor ich den Laden verlasse, ziehe ich meinen
neuen Rock sofort an, froh, die lange Jeans in die Hollister-Papiertüte
stopfen zu können.
Allein auf der Spring Street gibt es drei Clubs, die sich auf
meiner Liste befinden. Doch als ich vor der Tür des ersten
Clubs stehe, regt sich in mir der Verdacht, dass mein Anliegen
kompliziert werden könnte. Über dem Eingang prangt
ein großer silberner Anker und die Tür ist gepflastert mit Stickern.
Auf der Suche nach einem Plakat mit Programmankündigungen
stelle ich schnell fest: Fehlanzeige! Entweder ist
in diesem Laden nichts Besonderes los, oder aber die Gäste
wissen ohnehin, was sie hinter der unscheinbaren, schmuddelig
wirkenden Fassade erwartet. Also weiter!
Bei der nächsten Adresse sieht es nicht viel besser aus. Der
Club entpuppt sich als schicke Hotelbar mit hohem Promifaktor.
Das ist garantiert nicht die Location, wo Simon und
seine Band rocken würden!
Nummer drei ist: geschlossen!
Ich bin bereits reichlich genervt und schaue wieder auf
meine Liste. Bei dem Versuch, die Adressen im Stadtplan ausfindig
zu machen, verheddere ich mich in dem unhandlichen
Faltplan. Fluchend knülle ich das Teil zusammen. Dann muss
es halt so gehen. Angeblich sind die Clubs hier so zahlreich
gesät, dass man eigentlich alle paar Meter über einen stolpern
müsste. Da mir Majas Liste bisher wenig weitergeholfen
hat, vertraue ich einfach auf meinen eigenen Spürsinn. Mein
einfacher, aber hoffentlich effizienter Plan lautet: Ich bewege
mich im Zickzack und nähere mich auf diese Weise der Subway-Station,
an der ich wieder einsteigen muss.
Hudson Street, Broome Street, ein Stück den West Broadway
entlang, abbiegen in die Prince Street … Meine Füße
brennen und mein Plan entpuppt sich bald als Pleite. Natürlich
gibt es auch in diesen Straßen Bars und Clubs. Aber wenn
sie überhaupt ein Programm angeschlagen haben, dann finden
sich darauf höchstens irgendwelche angesagten DJs oder
mir völlig unbekannte Bands.
In einem Deli besorge ich mir eine Flasche Wasser und setze
mich völlig erschöpft auf eine niedrige Fensterbank vor dem
Laden. Am liebsten würde ich mir den Inhalt der Flasche über
den Kopf gießen. Es ist so warm, dass ich trotz meines neuen
Sommer-Outfits durchgeschwitzt bin.
Ich schließe die Augen und lehne meinen Hinterkopf an
die kühle Schaufensterscheibe.
Mach dich locker, Niki
, höre
ich eine Stimme in meinem Kopf und muss wehmütig lächeln.
Dann solltest du mir eine deiner unglaublichen Massagen
verpassen, Simon,
gebe ich der Stimme eine stumme Antwort.
Und weil ich so intensiv an ihn denke, habe ich fast das
Gefühl, seine Finger über meinen Arm und meine Schultern
streichen zu spüren.
»Na, fündig geworden?« Jemand lässt sich neben mich auf
die Fensterbank fallen und ich reiße die Augen wieder auf: Es
ist – der Dreadlock-Typ.
Das kann doch nicht wahr sein!
»New York ist ein Dorf«, spricht er meinen Gedanken laut
aus. »Man trifft immer wieder dieselben Leute.«
Ob er mir gefolgt ist? Nein, wohl kaum. Sicher hat er Besseres
zu tun, als mir stundenlang im Zickzack hinterherzulaufen.
»Was zum Anziehen, ja.« Ich deute auf meinen Rock und
er nickt anerkennend.
»Aber eigentlich bin ich auf der Suche nach einem Club,
wo eine deutsche Band auftritt.«
»Schwierig.« Der Typ legt den Kopf schief, was seine steifen
Dreadlocks in eine komisch anmutende Schräglage bringt.
»In New York gibt es Hunderte von Clubs. Jeden Tag machen
neue auf und andere schließen.«
»Das habe ich gemerkt«, antworte ich seufzend.
»Am besten schaust du mal in die
Village Voice,
da stehen
die aktuellen Veranstaltungen drin.« Er zeigt auf einen
roten Zeitungskasten direkt neben dem Deli. Ich schnappe
mir eines der Magazine und beginne, darin zu blättern. Tatsache,
das Heft ist voll mit Veranstaltungstipps – allerdings
habe ich das ungute Gefühl, dass ich auch darin nicht fündig
werde. Trotzdem: Die Village Voice ist eine gute Lektüre für
die Heimfahrt. Apropos!
»Wie spät ist es eigentlich?«, frage ich den Dreadlock-Typ.
»Kurz nach vier.«
Shit!
Um drei sollte ich zurück sein, um mich wieder um
die Zwillinge zu kümmern.
»Danke«, sage ich im Aufstehen.
»Wir sehen uns.« Der Typ hebt eine Hand, als wollte er mir
winken, lässt sie dann aber wieder fallen.
»You’re late«, begrüßt
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