New York - Love Story
es hier in der
Nähe einen Brunnen gibt? Irgendwas mit B?«
»Bethesda Fountain, you mean?«, fragt er mit unverkennbar
breitem texanischem Akzent.
Ja, das war’s! Ich nicke.
Er zeigt mit seinem Doppelkinn in die entsprechende Richtung.
»Ist aber ein Stück entfernt.«
Ich renne wieder los. Gerade habe ich eine Unterführung
unter einer viel befahrenen Straße durchquert, da trifft mich
der erste schwere Regentropfen. Er klatscht mir auf die Hand,
zerspringt und ich wische mir über meine verschwitzte Stirn.
Angenehm kühl ist das Wasser. Allerdings ist mir unangenehm
bewusst, dass es sicher nicht bei diesem einen Tropfen
bleiben wird. Schon fallen die Regentropfen auf den Weg zu
meinen Füßen und bilden dort nasse Kreise. Entfernt höre
ich Donner grollen.
Im Rhythmus der Wassertropfen klatschen meine Chucks
auf den Boden. Rechts, links, rechts, links.
Schneller
, treibe
ich mich an. Dann geht es los. Der Regen beschleunigt sein
Stakkato, der Himmel dreht die Hähne auf und literweise
fällt das Wasser auf mich herab. Es läuft mir in den Kragen,
durchweicht meine Stoffschuhe, mein Shirt und meine Hose,
klebt mir die Haarsträhnen an den Kopf. Ich wische mir
durch die Augen, wieder und wieder, sehe trotzdem kaum
noch etwas.
Der Donner ist jetzt ganz nah. Ich sehe einen Blitz zucken.
Ich liebe Gewitter. Aber nur, wenn ich in meinem Zimmer
sitze! Wenn ich durch einen riesigen Park renne, auf der Suche
nach zwei kleinen Mädchen, finde ich Gewitter scheußlich!
Der Regen prasselt noch immer ungemindert auf mich
herab, doch endlich erreiche ich mein Ziel. Ich erkenne den
Brunnen sofort, denn ich habe ihn schon im Fernsehen gesehen.
Wie hieß der Film noch? Mit Mel Gibson. Sein Sohn
wird entführt.
Egal.
Jedenfalls schien da die Sonne und überall
liefen Leute herum. Jetzt ist der rot gepflasterte Platz um den
Brunnen menschenleer. Der Engel oben auf der Säule reckt
seine Flügel in den dunklen Himmel. Unzählige Regentropfen
schlagen im Wasser des Brunnenbeckens auf und bilden ein
bizarres Muster aus Kreisen. Noch immer grollt der Donner.
Shit!
Von den Zwillingen ist weit und breit nichts zu sehen!
Ich umrunde den Brunnen. Meine Aufmerksamkeit richtet
sich auf eine Art Säulengang, der auf beiden Seiten von
breiten Freitreppen flankiert wird. Der perfekte Ort, um sich
vor dem Regen in Sicherheit zu bringen!
Und tatsächlich: In eine Ecke gedrängt, hocken die beiden
am Boden, eng aneinandergeschmiegt. Tränenverschmierte
Gesichter schauen zu mir hoch, als ich die Zwillinge endlich
entdecke.
Wie konntet ihr …?,
will ich sie anfahren und meiner Wut
und meiner Sorge, die sich in mir angestaut haben, Luft machen.
Was habt ihr euch dabei gedacht?
Aber ich bringe kein tadelndes Wort über die Lippen. Sie
sehen so klein und verletzlich aus, wie sie da in ihrer Ecke
sitzen. Und sie schauen mich aus ihren großen Augen bittend
an, so als könnte ich das Gewitter persönlich stoppen. Die
siebte Nanny, fahren mir Davids Worte durch den Kopf. Kein
Wunder, dass die Zwillinge sich schwer damit tun, mich zu
mögen.
»Hey!« Ich rutsche neben Gwyn und Gwen auf den kühlen
Steinboden. »Fürchtet ihr euch?«
Zögerliches Nicken.
»Ich hatte als Kind auch Angst vor Gewittern«, erzähle ich
ihnen. »Aber inzwischen finde ich sie richtig toll.«
Skeptische Blicke.
»Das kommt daher, dass ich immer zu meiner Mom ins
Bett gekrochen bin, wenn draußen Blitz und Donner tobten.
Dann hat meine Mutter mir eine Geschichte erzählt, und weil
ich die so gern mochte, hat mir irgendwann auch das Gewitter
gefallen.«
Zwei winzige Lächeln stehlen sich auf die Gesichter der
Zwillinge.
»Würdet ihr gern eine Geschichte hören?«, frage ich sie.
Dieses Mal nicken sie heftig.
»Okay.« Ich rutsche auf dem harten Steinboden in eine
halbwegs bequeme Sitzposition und versuche, meine klatschnassen
Klamotten zu ignorieren, die mir unangenehm am
Körper kleben.
»Dann erzähle ich euch die Geschichte von Aschenputtel.«
Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, als die beiden
mich fragend anschauen.
»Das ist Cinderella«, sage ich und imitiere ein bisschen
ihren besserwisserischen Tonfall, mit dem sie mich anfangs
zur Verzweiflung gebracht haben.
Die beiden kichern. Humorlos sind sie schon mal nicht, das
ist gut.
»Fang an«, fordert Gwyn und rutscht ein Stück näher zu
mir heran, wobei sie sich an meinen nassen Kleidern nicht zu
stören scheint.
»Ja, los«, fällt Gwen ein, folgt ihrer Schwester und greift
über Gwyn
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