New York - Love Story
dem
geschwungenen Dach der Kutsche. Galant hält David mir
seine Hand entgegen, um mir beim Einsteigen zu helfen. Ich
ignoriere sie und schwinge mich selbst hinauf. David streckt
dem Kutscher das Fahrtgeld hin und los geht’s.
Der rote Federschmuck, den das arme Pferd auf dem Kopf
tragen muss, wippt hin und her. Klackernd trabt das Tier
über den Asphalt.
Wow!
Das ist wirklich kitschig! Aber irgendwie auch cool.
Gemütlich zurückgelehnt betrachte ich die Parklandschaft,
die an uns vorbeizieht. Eine lange Allee, auf der viele knorrige
alte Bäume stehen. Ein großer See. Kinder spielen auf
einer Wiese Ball. Ein altes Pärchen auf einer Bank streckt die
Gesichter in die Sonne. Der Park gefällt mir gut, viel besser
als gestern, als ich auf der Suche nach Gwyn und Gwen über
die endlos langen Wege gerannt bin.
»Gefällt es dir, Nicole?«, reißt David mich aus meinen Betrachtungen.
Das mit dem Namen muss eine Familienkrankheit
sein.
»Mein Name ist Niki. Einfach nur Niki«, erkläre ich ihm
etwas genervt. »Wie Niki de Saint Phalle. Die Künstlerin.
Kennst du vielleicht. Meine Mom fand sie mal ganz toll.« Ich
schaue ihn auf der Suche nach einem Zeichen des Verstehens
an, aber er betrachtet mich nur fragend. Ich bin es so leid,
immer allen Leuten erklären zu müssen, wie ich zu meinem
Namen gekommen bin. »Niki de Saint Phalle war die mit den
Nana-Figuren. Diesen ganz dicken, bunten Frauen mit dem
großen Busen.«
Ups!
»Der Name passt vielleicht nicht perfekt
zu mir.« Vielsagend schaue ich an meinem dünnen Körper
mit der vernachlässigbaren Oberweite hinunter. »Aber es
ist nun mal mein Name.«
»Natürlich kenne ich Niki de Saint Phalle.« David lacht.
Ah, da ist ja wieder seine gute alte Arroganz! »Sei froh, dass
deine Mutter dir ihren Namen gegeben hat. Immer noch besser,
als nach einer Steinstatue mit zu klein geratenen Genitalien
benannt zu sein.«
Riesen-Ups!
Ich starre David mit offenem Mund an. Habe
ich mich gerade verhört? Ich dachte, Amis seien viel zu prüde,
um solche Wörter in den Mund zu nehmen. Schnell werfe
ich einen Blick auf die Zwillinge. Aber die beachten uns gar
nicht, sondern haben sich auf ihrer Bank hingehockt, um geradeaus
in Fahrtrichtung schauen zu können.
Etwas zeitverzögert pruste ich los. Von wegen arrogant!
Der Typ hat wesentlich mehr Humor, als ich ihm zugetraut
hätte. Vor allem scheint er auch über sich selbst lachen zu
können.
»Hör zu, Niki.« Er betont meinen Namen extra deutlich.
»Ich wollte mich noch bei dir entschuldigen.«
»So schlimm ist das nun auch wieder nicht. Deine Mutter
hat noch immer nicht kapiert, wie ich richtig heiße.« Oh, nein,
das hätte ich vielleicht besser nicht sagen sollen. Hoffentlich
glaubt David jetzt nicht, ich wollte Madeleine schlechtmachen.
Aber er überrascht mich wieder.
»Madeleine kapiert eine Menge nicht«, sagt er resigniert.
»Aber ich wollte mich eigentlich für etwas anderes entschuldigen.
Ich war nicht gerade nett zu dir, seit du in New York
angekommen bist. Gut, es war vielleicht auch nicht der
beste Einstieg, mir gleich ein Glas Champagner über meinen
Anzug zu schütten …« (Ich spüre, dass meine Wangen
heiß werden.) »… aber ich gebe zu, dass ich mich mindestens
ebenso danebenbenommen habe. Nicht nur an diesem ersten
Abend. Auch bei unserem Ausflug durch die Stadt.«
»Schon okay«, wehre ich ab. Er hat ja recht. Aber ich fühle
mich unwohl, wenn er sich derart ausgiebig bei mir entschuldigt.
So schlimm war es im Grunde auch nicht!
»Nein, ist es nicht.« David fährt unbeirrt fort. »Es ist so,
dass ich in dir nur die Nanny gesehen habe. Die
nächste
Nanny für Gwyn und Gwen. Die beiden haben schon so viele
Nannys kommen und gehen sehen, dass ich dir gar nicht
mehr alle Namen aufzählen kann.«
»Namen scheinen nicht gerade deine Stärke zu sein«, versuche
ich seine lange Entschuldigungsrede mit einem Scherz
zu verkürzen. David geht nicht darauf ein, verknotet seine
Finger im Schoß und starrt geradeaus zwischen den Köpfen
der Zwillinge hindurch.
»Ich glaube, eigentlich bin ich nur sauer auf meine Mutter.
Weil sie die beiden genauso im Stich lässt, wie sie es damals
bei mir getan hat. Aber ich hatte wenigstens meine Grandma,
die immer für mich da war und sich liebevoll um mich gekümmert
hat. Gwyn und Gwen haben niemanden.«
»Doch, dich«, werfe ich ein. Zu spät fällt mir ein, dass ich
ihn eigentlich fragen wollte, warum er so wenig mit seinen
Schwestern unternimmt.
David blickt kurz zu
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