New York - Love Story
zur Antwort. Etwas
hindert mich daran, ihr einfach zu sagen, dass ich versuche,
den Namen von Davids Vater herauszufinden. Ich habe das
unbestimmte Gefühl, dass David mir ein Geheimnis anvertraut
hat, als er mir von seinem Vater erzählt hat. Und ich
will sein Vertrauen nicht enttäuschen.
»Kommst du?«, höre ich Pedros Stimme leise im Hintergrund.
»Ja, sofort«, ruft meine Mutter vom Mikro weg. Und dann
lauter zu mir: »Da gab es einen Typ. Groß, blond, gut aussehend.
Warte mal, wie hieß der noch? Guido? Nein. Gerd?
Nein. Gideon. Genau. Das war’s. Komischer Name, oder?«
»Ziemlich.« Ich lache.
»Nikilein, ich muss los. Meldest du dich bald wieder?«
»Das mach ich, Mom, versprochen.«
Ich höre, dass sie mir einen Kuss durchs Mikro schickt,
und beende Skype.
Gideon, denke ich. Was für ein bescheuerter Name! Aber
groß, blond, gut aussehend trifft – so allgemein es auch sein
mag – genauso auf David zu. Ich bin ganz hibbelig, fahre eilig
den Rechner runter und will mich auf die Suche nach David
machen. Hoffentlich ist er in seinem Zimmer. Ehrlich gesagt
habe ich keine Ahnung, wo David eigentlich den ganzen Tag
steckt.
Aus Gwyns und Gwens Zimmer erklingt das unvermeidliche
»Oh Baby, yeah, yeah, yeah«. Lief das Lied nicht vorhin
schon? Wahrscheinlich hören sie es in einer Endlosschleife.
Durch Davids Tür vernehme ich hingegen kein Geräusch.
Zaghaft klopfe ich an. Als darauf niemand reagiert, öffne ich
die Tür einen Spalt, schiebe sie dann weiter auf und linse ins
Zimmer. Nein, David ist tatsächlich nicht da. Sein Futonbett
– außer einem großen, antik wirkenden Schreibtisch
das einzige Möbelstück im ganzen Zimmer – ist ordentlich
gemacht. Auf dem Schreibtisch stapeln sich Bücher- und
Zettelberge neben einem Laptop. An der Wand lehnen eine
Akustik- und eine E-Gitarre, beide sind aus schwarzem Holz.
Unter der Zimmerdecke befinden sich zwei Reihen von
Wandregalen, die durch das gesamte Zimmer laufen. Auf der
einen Etage stehen Bücher, auf der anderen CDs. Der ganze
Raum wirkt leer und trotzdem gemütlich.
Enttäuscht drücke ich die Tür wieder zu. Schade! Ich hätte
David am liebsten sofort berichtet, dass ich wenigstens den
Vornamen seines Vaters herausgefunden habe. Jetzt muss
ich mich wohl noch gedulden. Spätestens am Samstag werde
ich ihn wiedersehen. Wenn ich Madeleine richtig verstanden
habe, kommt er auch zu dem Ball.
»Wo sind meine Schuhe?« Ich höre Madeleine in heller Aufregung auf dem Gang rufen. Ohne zu klopfen, reißt sie
meine Zimmertür auf. »Hast du meine Schuhe geliehen?«
Obwohl ich mir keiner Schuld bewusst bin, zucke ich zusammen.
Tatsächlich habe ich mich durchgerungen und mir
ein Paar von Madeleines Designer-Schuhen geborgt, wie sie
es mir angeboten hat. Ich kann ja schlecht meine blauen
Chucks oder meine Flip-Flops zu dem roten Ballkleid tragen.
Nach längerer Suche habe ich ein paar schwarze Peeptoes
gefunden, deren Absatz nicht ganz so mörderisch hoch ist.
Noch habe ich sie allerdings nicht angezogen und kann nicht
beurteilen, ob ich überhaupt in der Lage bin, darin zu laufen,
geschweige denn einen ganzen Abend darin durchzustehen.
»Suchst du diese?«, frage ich und halte die Peeptoes hoch.
»Nein. Nicht diese.« Madeleine schüttelt genervt den Kopf.
Sie sieht mal wieder perfekt aus. Ihre Haare hat sie zu einer
elegant eingedrehten Rolle auf dem Hinterkopf stecken lassen
(da ist garantiert ein Haarteil im Spiel!), ihr Make-up ist
kräftig, aber nicht übertrieben. Und ihr bodenlanges silbernes
Kleid umfließt ihren Körper wie eine Meereswelle im
Mondlicht. Ihre nackten Füße beeinflussen das Gesamtbild
allerdings negativ.
»Ich suche die silbernen Sandalen. Hast du sie denn nicht
irgendwo gesehen?« Madeleine wirkt so aufgeregt wie eine
High-School-Absolventin vor ihrem Abschlussball. Vielleicht
liegt es daran, dass sie diesen Wohltätigkeitsball organisiert
hat, überlege ich. Sicher macht sie sich Sorgen, ob alles klappen
wird. Ihre Nervosität ist ansteckend. Und ich bin ohnehin
schon seit Tagen hibbelig, weil ich nicht weiß, was heute
Abend auf mich zukommen wird.
»Könntest du mir bitte bei der Suche helfen?«, fragt Madeleine.
Wie immer klingt es eher nach einem Befehl als nach
einer Bitte.
Unsicher schaue ich an mir herab. Mein rotes Kleid trage
ich zwar bereits, aber da ich mich bis eben um Gwyn und
Gwen kümmern musste – ohne ein Märchen weigerten die
zwei sich, ins Bett zu gehen – bin ich weit entfernt von fertig.
Meine
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