New York - Love Story
Ähnlichkeit
mit Simon.
Das wäre ja auch ein zu großer Zufall,
rufe ich
mich selbst zur Ordnung.
Unschlüssig wippe ich von einem Fuß auf den anderen.
Noch brechen mir in Madeleines Schuhen nicht die Zehen ab,
der Schmerz hält sich in erträglichen Grenzen. Was soll ich
jetzt bloß machen? Mich unter die Gäste mischen?
Sehr witzig!
Mehrere Hundert Menschen in edlen Abendroben sind
hier versammelt – und niemand hat bisher von mir Notiz genommen.
Einmal mehr habe ich das Gefühl, unsichtbar geworden
zu sein.
»Darf ich um einen Tanz bitten?«, ertönt da hinter mir eine
vertraute Stimme. Mit vor Erleichterung klopfendem Herzen
drehe ich mich um. David. Endlich ein Mensch, den ich
kenne. Er trägt eine Art Frack mit flatternden Schößen, dazu
eine weiße Fliege. Jeder andere Junge, den ich kenne, sähe in
diesem Outfit aus wie ein Pinguin. Aber bei David wirkt die
Verkleidung irgendwie natürlich. Vermutlich liegt das auch
daran, dass es ihm nicht gelungen ist, seine fransigen Haare
zu bändigen. Störrisch hängen ihm einige Strähnen ins Gesicht.
Als ich bemerke, dass David mich ebenso eingehend
betrachtet wie ich ihn, senke ich beschämt den Blick.
»Ich hatte keine Zeit mehr, mir die Haare zu machen«,
murmele ich.
»Du siehst wunderschön aus«, sagt er. »Besonders deine
Haare. Du solltest ihnen öfter Freigang gewähren.« Er nimmt
eine meiner Locken zwischen die Finger und zieht leicht
daran, bis ich quietsche und er aufhört. Ich erröte, wende
schnell den Kopf ab und tue so, als würde ich mich plötzlich
sehr für das Geschehen auf der Tanzfläche interessieren.
Dort schieben sich die ersten Paare übers Parkett, die Band
ist zu tanzbaren Rhythmen übergangen.
»Und was ist nun mit meinem Tanz?«, nimmt David das
Gespräch wieder auf.
Energisch schüttele ich den Kopf.
»Vergiss es. Beim Tanzen besitze ich ungefähr die Eleganz
eines Elefanten.«
David lacht. Ohne auf meinen Protest zu achten, greift er
nach meinem Arm und zieht mich hinter sich her zur Tanzfläche.
Mein Magen schlägt Purzelbäume. Wenn ich eines
nicht mag, dann ist es, mich öffentlich zur Schau zu stellen.
Die Vorstellung, dass mir Hunderte Leute dabei zusehen,
wie ich mich beim Tanzen zum Affen mache, verursacht mir
akute Übelkeit. Selbst Simon konnte mich nie überreden, mit
ihm abzutanzen. Allerdings hat es ihm zum Glück nichts ausgemacht,
dass ich lieber neben der Tanzfläche stand und ihm
und den anderen bei ihren Verrenkungen zusah.
David hingegen ist fest von seinem Vorhaben überzeugt.
Selbst als ich versuche, mein Handgelenk aus seinem Griff
zu winden, fasst er nur umso fester zu. Unser kleiner Kampf
führt dazu, dass meine schlimmsten Befürchtungen wahr
werden. Als wir die Tanzfläche erreichen, haben eine Reihe
von Gästen uns die Köpfe zugewandt und beobachten interessiert,
was wir treiben.
»David, bitte nicht«, starte ich einen letzten Versuch. Doch
mein selbst ernannter Tanzpartner bleibt hartnäckig. Resolut
zieht er mich auf die Fläche, stellt mich wie eine Marionette
vor sich auf und legt mir eine Hand sanft aufs Schulterblatt.
Mit seiner anderen Hand greift er nach meiner.
»Entspann dich, Niki«, raunt er mir ins Ohr. »Tanzen
macht Spaß!«
Ausgerechnet in diesem Moment drosselt die Band das
Tempo. Ein langsamer Song mit dominanter Klavierlinie erklingt,
ein bisschen traurig, aber wirklich schön. Ich atme tief
durch. Ein Hauch von Davids herbem After Shave dringt in
meine Nase. Er tritt einen Schritt näher, seine Hand an meiner
Schulter fühlt sich fest und sicher an.
Na gut,
denke ich.
Was habe ich schon zu verlieren? Hier kennt mich ja keiner!
David schiebt seinen Fuß vor. Ich reagiere zu spät – prompt
landet sein Schuh auf meinem großen Zeh.
»Autsch«, meckere ich.
»Sorry«, sagt er mit einem etwas spöttischen Lächeln. Er
soll bloß nicht wagen, sich über mich lustig zu machen. Ich
habe ihn ja gewarnt. Als David einen neuen Versuch unternimmt,
bin ich gewappnet. Ich achte genau darauf, was er
mit seinen Füßen vorhat, und bewege mich entsprechend
mit. Und tatsächlich: Es klappt!
Zunächst noch etwas unsicher, schlingere ich in Davids
Arm über die Tanzfläche. Doch relativ schnell wird mir klar,
dass David ein extrem guter Tänzer ist. Sicher führt er mich
an den anderen Paaren vorbei, mit seinem Körper dirigiert er
meine Bewegungen, sodass ich irgendwann meinen Kopf ausschalte
und mich in den beruhigenden Rhythmus der Musik
fallen lasse. Viel zu schnell ist das Lied
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