New York - Love Story
sitzt!,
ermahne ich
mich.
David!
David ist nett. Und David sieht gut aus. David
küsst gut. Ja, er küsst sogar ziemlich gut! Aber David ist nicht
Simon.
»Ich bin doch wegen Simon hier«, sage ich entschuldigend.
David zuckt mit den Schultern und schaut zum dunklen
Himmel hinauf, an dem kaum ein Stern zu erkennen ist. Es
ist Nacht geworden.
»Du solltest jetzt besser nach Hause fahren«, meint er nur.
Ich stehe umständlich auf und nicke ein bisschen kläglich.
Das Ganze tut mir leid. Es wird nicht besser dadurch, dass
ich mich schrecklich verwirrt fühle. Und dass ich Davids Lippen
noch immer auf meinen zu spüren meine.
»Nie kommt ein Taxi, wenn man es braucht«, flucht David,
der längst oben auf dem Bordstein steht und auf mich wartet.
Die schmale Straße bietet einen für New York ungewöhnlichen
Anblick: wie ausgestorben.
»Komm.« David fasst nach meiner Hand, lässt sie aber
gleich wieder los. Mit langen Schritten stiefelt er vor mir her
zur nächsten großen Kreuzung. Meine Absätze klackern über
den Asphalt bei dem vergeblichen Versuch, mit David Schritt
zu halten.
Als ich ihn einhole, hat er bereits ein Taxi für mich gestoppt
und dem Fahrer die Adresse genannt.
»Schlaf gut.« David knallt die Autotür hinter mir zu. Der
Taxifahrer braust los. Aus dem Rückfenster kann ich sehen,
dass David noch einen Moment am Straßenrand stehen
bleibt, bevor er sich umdreht und zur Obdachlosenunterkunft
zurückgeht.
Die Gedanken in meinem Kopf drehen sich so schnell, dass
meine Schläfen schmerzhaft zu pochen beginnen. Was war
das gerade? Was ist da mit mir passiert? Und warum kann
sich etwas, das falsch ist, so richtig anfühlen?
Ich höre Kinderlachen, als ich mich Madeleines Schlafzimmer nähere. Erstaunt bleibe ich im Türrahmen stehen.
Der Anblick, der sich mir bietet, ist so ungewohnt, dass ich
einen Moment verharre und die Szene betrachte. Madeleine
sitzt an ihrem ausladenden Schminktisch mit dem beleuchteten
Spiegel und trägt gerade Lippenstift auf. Neben ihr am
Boden hocken Gwyn und Gwen und lackieren sich gegenseitig
die Fingernägel pink.
»Mommy, dürfen wir auch Lippenstift benutzen?«
Mit einem Lächeln beugt Madeleine sich zu den Kindern
hinunter und verteilt vorsichtig etwas von ihrem roten Lippenstift
auf den gespitzten Mündern.
Keine Ahnung, woher ihre mütterlichen Gefühle plötzlich
kommen. (Vielleicht hat es etwas mit der Veränderung zu tun,
von der David gesprochen hat – auch wenn ich mir diese noch
immer nicht erklären kann.) Aber die Szene gefällt mir so gut,
dass ich mich kaum davon losreißen kann. Doch Madeleine
hat mich im Spiegel bemerkt.
»Nicole, was gibt es?«, fragt sie.
Beherzt trete ich ins Zimmer.
Seit dem Ball – und dem Zwischenfall mit David – bin
ich nur noch durch die Wohnung geschlichen und habe versucht,
mich möglichst unsichtbar zu machen. Auf keinen
Fall wollte ich David begegnen. Aber der blieb ohnehin wie
vom Erdboden verschwunden. Außerdem habe ich mich
noch nicht getraut, Madeleine zu fragen, ob ich mir den
Montagabend freinehmen darf. Jetzt ist die letzte Gelegenheit
dafür. Wenn ich Simons Auftritt nicht verpassen will,
muss ich mich möglichst schnell auf den Weg zum
Chicky
CitCat Club
machen.
»Schau mal!« Gwyn und Gwen sind aufgesprungen und
strecken mir ihre Hände mit den lackierten Nägeln entgegen.
»Sieht das nicht toll aus?«
»Doch, wirklich wunderschön«, bestätige ich und kann
mir kaum ein Grinsen verkneifen. Mindestens die Hälfte der
Farbe ist neben den Nägeln gelandet.
»Nicole?«, erinnert Madeleine mich an mein eigentliches
Vorhaben.
»Ich wollte fragen, ob ich heute Abend ausgehen kann.
In einem Club tritt eine deutsche Band auf, die ich kenne,
und da würde ich sehr gerne hingehen«, sage ich und halte
gespannt den Atem an. Ich habe überlegt, ob ich Madeleine
eine Lüge auftischen soll, damit sie mich gehen lässt. Aber
mir ist keine passende Ausrede eingefallen.
Zu meiner Überraschung wedelt sie mit ihrer perfekt manikürten
Hand. »Geh nur. Danuta kann heute Abend mal auf
die Kinder aufpassen.«
Perplex schaue ich Madeleine an. So einfach soll das gewesen
sein?
»Aber bring Gwyneth und Gwendolyn vorher ins Bett. Ich
habe es eilig.«
Na also. Es war ja klar, dass an die Erlaubnis eine Bedingung
geknüpft ist.
»Good night, girls.« Madeleine wendet sich wieder dem
Schminkspiegel zu. Als die Mädchen ihr noch einen Kuss
auf die Wange geben wollen, wehrt sie die beiden ab. »Macht
mich nicht schmutzig
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