New York - Love Story
Ich zucke mit den Schultern und folge Simon durch
den Nebeneingang. Obwohl ich noch immer ganz durcheinander
bin, kann ich es mir nicht verkneifen, dem Türsteher
einen triumphierenden Blick zuzuwerfen.
Hinter Simon stolpere ich in einen von Neonröhren erleuchteten
Raum, eine Mischung aus Abstellkammer und
Künstlergarderobe. Auf der einen Seite stapeln sich Fässer
bis zur Decke, ein hohes Regal beherbergt Küchenvorräte
im XL-Format, daneben ist eine Bank aufgestellt, auf der die
Musiker von
Vision
aufgereiht sitzen wie Jungs in der Sportumkleide
und auf ihren Auftritt warten.
»Niki? Was machst du denn hier?«, werde ich auch von
Simons Bandkollegen wenig innovativ begrüßt. Wenigstens
habe ich mittlerweile meine Sprache wiedergefunden und
bin zu einer halbwegs schlagfertigen Antwort fähig: »Euch
nachreisen, wie es sich für ein ordentliches Groupie gehört.«
Die Jungs lachen und heben die Hände zum Einschlagen.
Doch Simon schiebt mich in Richtung einer zweiten Tür
neben dem Vorratsregal.
»Wir müssen uns jetzt auf den Auftritt vorbereiten. Geh du
schon mal rein«, sagt er. »Schön, dass du da bist«, schiebt er
immerhin noch hinterher, als ich schon den Türgriff in der
Hand halte.
Der Club ist kleiner, aber auch cooler, als ich erwartet habe.
Die Theke, die Stühle und Tische, ja selbst der Boden bestehen
aus Plexiglas. Darunter sind zahllose bunte Strahler angebracht,
sodass der Raum von unten beleuchtet wird. Spiegel
an den Wänden und an der Decke werfen das farbige Licht
zurück, Discokugeln fangen es ein und zeichnen drehende
Punkte auf die Spiegel, die diese wiederum tausendfach wiedergeben.
Inmitten des flackernden Lichterspiels wirken die
Partygänger in ihren meist dunklen Outfits wie schwarze Silhouetten,
Scherenschnitte im Farbenmeer.
Neben der Theke befindet sich eine kleine Bühne. Noch ist
sie dunkel. Doch als ich mich gerade ausgiebig umgeschaut
und mir einen Platz in der Nähe der Theke gesucht habe, erlischt
mit einem Mal die bunte Beleuchtung des Clubs, und
eine Reihe von Scheinwerfern richtet sich allein auf die Bühne.
Unter freundlichem Applaus betreten die Musiker von
Vision
die Bühne und schnappen sich ihre Instrumente.
Als Simon sich hinter das Schlagzeug setzt, erlebe ich einen
Flashback. Er trägt genau das gleiche Shirt mit Bandlogo wie
an unserem allerersten Abend. Auch die schwarzen Haare
sind ähnlich gestylt. Er hebt die Sticks und schaut zu mir. Er
blickt mich direkt an und verzieht den Mund zu einem schiefen
Grinsen, das die beiden Grübchen in seine Wangen zaubert.
Alles wird gut!, denke ich. Alles wird wieder so wie früher!
Die Band legt los. »You’re mine« – ein älterer Song von
ihnen, den ich Wort für Wort mitsingen kann. Ich lausche der
rauen, rockigen Stimme von Sven, dem Leadsänger, versuche
mich in den Rhythmus der Drums zu vertiefen und in die Akkorde
der Gitarren. Aber es will mir nicht so recht gelingen.
Immer wieder schweift mein Blick durch den schummrigen
Raum hinüber zur Eingangstür. Gelegentlich schwingt
sie auf und neue Gäste strömen herein. Unbekannte, die ich
noch nie vorher gesehen habe. Und trotzdem schlägt mein
Herz jedes Mal ein bisschen schneller, weil ich für einen kurzen
Moment glaube, es könnte David sein. So groß ist meine
Panik vor einer neuen Begegnung mit ihm inzwischen, dass
meine Hände schwitzig werden, wenn ich nur daran denke.
Es kostet mich Anstrengung, meine Augen wieder auf die
Bühne und auf Simon zu heften. Ich beobachte, wie seine
Muskeln unter dem engen Shirt tanzen, betrachte sein schönes
Gesicht. Simon sieht mich nicht an. Sein Blick ist nach
innen gerichtet, er nimmt nichts mehr wahr außer seiner
Musik. Ja, so kenne ich ihn. Ich habe es geliebt zu sehen, wie
er im Rhythmus aufgeht, eins wird mit seinen Sticks und
Drums.
Ich liebe es!
, korrigiere ich mich in Gedanken. Natürlich.
Immer noch. Der Schweiß steht ihm auf der Stirn,
ich kann den feinen Film im grellen Licht schimmern sehen.
Auch am Kragen seines Shirts zeichnet sich bereits ein dunkler
Fleck ab.
Das ist so sexy,
denke ich.
Dann spüre ich einen Luftzug und meine Augen wandern
wieder zur Eingangstür.
Eine junge Frau mit langen Beinen kommt herein. Sie
ist vielleicht Mitte zwanzig und würde sich super auf dem
Cover der Vogue machen. Ihr graues Business-Kostüm mag
in diesem Club ein modischer Missgriff sein. Doch es steht
ihr ausgezeichnet, und sie trägt es so selbstverständlich, dass
es die perfekte Wahl für den Abend und den
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