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New York - Love Story

New York - Love Story

Titel: New York - Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Lankers
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der Straße an mir vorbeigelaufen,
wäre sie mir sicher nicht aufgefallen. Doch hier
in dieser Umgebung mustere ich sie ebenso wie sie mich. Sie
sieht etwas müde aus, aber zu meinem Erstaunen nicht unzufrieden.
Nur als ihr Blick in die Suppenschüssel fällt, verzieht
sie den Mund.
    »Das wirst du nicht mögen«, sagt sie zu ihrem Kind. Dann
zwinkert sie mir zu und setzt sich mit dem Kleinen auf eine
der Bänke.
    Nach kurzer Zeit steht mir der Schweiß auf der Stirn. Von
dem Suppendampf kräuseln sich meine Haare zu einem chaotischen
Wirrwarr. Aber ich fühle mich zunehmend wohl.
    Ich dachte, dass der Wohltätigkeitsball der Höhepunkt
meines Aufenthalts in New York werden würde. Doch dort
habe ich mich vor allem fehl am Platz gefühlt. Zwischen all
den reichen, schicken Menschen, die mich ignorierten, bin
ich mir unsichtbar vorgekommen. Hier in diesem Keller hinter
dem Suppentopf habe ich plötzlich das Gefühl, genau am
richtigen Ort zu sein und etwas Sinnvolles zu tun. Plötzlich
verstehe ich auch ohne Erklärung, warum David diese Arbeit
macht.
    Nach etwa einer Stunde hat sich der Keller ebenso wie der
Suppentopf merklich geleert. Noch acht Männer sitzen an
den Tischen, zwei weitere sind gerade rausgegangen, um eine
Zigarette zu rauchen.
    »Okay, Jungs, dann wollen wir mal die Betten machen«,
ruft David. Umständlich erheben sich die Männer von den
Bänken.
    »Betten?« Fragend schaue ich David an.
    »Diese zehn schlafen hier«, erklärt er mit einer Geste, die
auch die beiden Raucher vor der Tür einschließt. »Das hier
ist ein kirchlicher Shelter – eine Obdachlosenunterkunft.«
    Oha! Und ich dachte, hier wird nur Suppe verteilt. Von
Sheltern habe ich bereits gehört – und zwar nichts Gutes.
Mein Gesichtsausdruck muss David verraten haben, dass ich
mich plötzlich wieder unwohl fühle, sehr unwohl.
    »Keine Sorge.« Er grinst. »Mit den städtischen Sheltern hat
unsere Unterkunft kaum Gemeinsamkeiten, mal davon abgesehen,
dass auch hier Obdachlose ein Dach über dem Kopf
finden. Aber wir haben strenge Regeln, an die sich alle halten:
Drogen, Glücksspiel, Klauen – alles streng verboten. Das
ist es in den öffentlichen Einrichtungen natürlich auch, allerdings
ist es dort schwieriger durchzusetzen. Bei uns kommen
immer nur zehn Männer unter und die suchen wir sehr
genau aus.«
    Ich weiß nicht, ob ich beruhigt sein soll. Andererseits macht
David einen so entspannten Eindruck, als würde hier ein
Kaffeekränzchen abgehalten. Gemeinsam mit den obdachlosen
Männern klappt er die Bänke und Tische zusammen
und trägt sie in einen Nebenraum, der mir bisher gar nicht
aufgefallen war. Von dort holen die Übernachtungsgäste ihre
Klappbetten. Schon nach kurzer Zeit sind alle Betten aufgestellt
und die Männer legen sich hin.
    David winkt mich zur Eisentür, durch die eben die beiden
Raucher hereingeschlüpft sind. Sie sind die Letzten, die
es sich auf ihren Pritschen mit einer dünnen Wolldecke bequem
machen. Im Rausgehen löscht David das Deckenlicht,
nur eine Notbeleuchtung verbreitet nun über der Tür noch
ihren schwachen Schein.
    Erst als die Tür hinter uns ins Schloss gefallen ist, wage ich
meine Frage zu stellen: »So früh gehen sie schlafen?«
    David schaut auf seine Uhr. »Es ist zehn. Diese Männer
haben einen anstrengenden Tag hinter sich. Und morgen um
halb sechs muss ich sie wecken, damit sie weg sind, bevor
der erste Gottesdienst beginnt, und sie die Kirchenbesucher
nicht stören. So viel zum Thema christliche Nächstenliebe.«
Er klingt spöttisch.
    Mir ist allerdings etwas anderes bei seiner Erklärung aufgefallen.
»Du musst sie wecken?«, hake ich nach.
    »Ich übernachte hier. Jemand muss ja aufpassen«, erklärt
David, als wäre das eine Selbstverständlichkeit. »Keine Sorge,
ich schlafe im Abstellraum«, fügt er mit einem Grinsen in
meine Richtung hinzu.
    »Okay.« Ich finde das trotzdem ziemlich mutig von ihm.
Etwas verlegen stehen wir uns gegenüber. Meine Wut ist längst
verraucht. Stattdessen habe ich nun ein schlechtes Gewissen,
weil ich David einfach gefolgt bin. Jetzt kenne ich also sein
zweites Geheimnis. Doch gleichzeitig habe ich das Gefühl, ihn
überhaupt nicht zu kennen. Anfangs habe ich ihn für einen
verwöhnten und arroganten Sohn reicher Eltern gehalten.
Aber seither hat er mich so oft überrascht mit dem, was er
gesagt oder getan hat, dass ich mich für meine erste Einschätzung
beinahe schäme.
    »Komm, setz dich zu mir.« David hat sich auf die Betontreppe
gehockt

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