New York - Love Story
und klopft einladend auf den freien Platz
neben ihm. »Nicht ganz so schön wie vor dem Metropolitan
Museum, aber bequemer, als die ganze Zeit zu stehen.«
Als ich mich neben ihm niedergelassen habe – was mit
meinem Ballkleid gar nicht so einfach ist und garantiert
nicht besonders elegant aussieht – fährt David fort.
»Du hast mich gefragt, warum ich das hier mache.« Er nickt
mit dem Kinn in Richtung der Kellertür. »Und ich habe gesagt,
das sei eine lange Geschichte. Aber im Grunde ist es ganz
einfach.« Er legt eine kurze Pause ein und fährt sich mit der
Hand durch die Haare. Kaum hat er die Hand sinken lassen,
fallen die fransigen Strähnen ihm schon wieder ins Gesicht.
»Ich bin im Luxus groß geworden. Meine Großeltern waren
reich. Und meine Mutter hat einen Millionär nach dem anderen
geheiratet. An Geld hat es mir nie gemangelt.«
Wieder fährt David sich durch die Haare. Er wirkt plötzlich
abgeschlagen. Sein letzter Satz hängt zwischen uns in der
Luft, und mir ist klar, dass darauf etwas folgen muss. Denn
ich merke, dass es etwas gibt, das David beschäftigt.
»Aber das Einzige, was ich als Kind wirklich wollte, habe ich
nie bekommen: Zeit mit meiner Mutter.« David spricht sehr
leise, beinahe zu sich selbst. »Schon als ich klein war, hatte
Madeleine viel zu viele andere Verpflichtungen. Ein Wohltätigkeitskomitee
hier, eine karitative Initiative da. Meine Mutter
war so damit beschäftigt, Gutes zu tun, dass sie mich vergessen
hat. Und mit den Zwillingen macht sie es genauso.«
Aus einem Impuls heraus lege ich meine Hand auf Davids
Arm. Ich kann die angespannten Muskeln unter seinem
Hemdsärmel spüren, als er die Hand zur Faust schließt.
»Spenden sammeln, Bälle und Empfänge organisieren –
mit dieser Art von sozialer Arbeit habe ich nie etwas anfangen
können«, setzt David seine Erklärung fort. »Ich wollte
den Menschen helfen, wirklich helfen.«
Er schüttelt den Kopf, als wolle er eine unliebsame Erinnerung
abschütteln. Dann schaut er mich an und bringt ein
mühsames Lächeln zustande.
»Mehrere zehntausend Menschen leben in New York auf
der Straße. Wir können hier nur wenigen von ihnen helfen.
Aber wir tun unseren Teil.«
Erst als David nach meiner Hand greift, bemerke ich, dass
ich vergessen habe, sie von seinem Arm zu nehmen. Er umschließt
meine Finger mit seinen beiden Händen und schaut
mich eindringlich an, sodass es mir unmöglich ist, seinen
grauen Augen auszuweichen.
»Verstehst du mich?«, fragt er, und ich habe das Gefühl,
dass ihm meine Antwort wichtig ist.
»Ja«, sage ich und es stimmt. Ich habe begriffen, warum
David diese Arbeit macht und wie viel sie ihm bedeutet. Ich
bin überwältigt von seiner Offenheit und von der Traurigkeit,
die ich in seinen Worten gespürt habe.
»Ich finde es toll, was du hier machst«, erkläre ich überzeugt.
David lässt meine Hand los und streicht mir mit dem Zeigefinger
eine verirrte Locke aus dem Gesicht. Noch immer
halten mich seine Augen fest.
»Danke, dass du mir zugehört hast«, flüstert er.
Ich schüttele ganz leicht den Kopf, weiß nicht, was ich darauf
antworten soll. Doch dann liegt seine Hand an meiner
Wange, er beugt sich zu mir. Plötzlich sind wir uns ganz nah.
Ich kann seinen herben Duft riechen. Ich spüre seinen Atem.
Als seine Lippen meinen Mund berühren, vergesse ich, dass
ich überhaupt etwas sagen wollte.
Davids Kuss ist sanft. Ich kann seine Lippen auf meinen
fühlen wie ein Kitzeln. Dann sind sie schon wieder verschwunden.
Nein! Ich will nicht, dass er aufhört. Mit geschlossenen
Augen folgt mein Kopf seinem. Ich spüre, dass er lächelt.
Dann drückt er seinen Mund wieder auf meinen. Fester dieses
Mal. Seine Lippen öffnen sich leicht. Als seine Zunge meine
berührt, breitet sich Hitze in meinem ganzen Körper aus.
Davids Hände legen sich um meinen Kopf, mit den Fingern
spielt er in meinen Haaren. Unter seiner Berührung beginnt
meine Kopfhaut zu kribbeln. Auch meine Hände vertiefen
sich wie von selbst in seinen Fransen, wandern seinen Hals
hinunter, bis sie auf seinen Schultern zum Liegen kommen.
Und noch immer küsst er mich. So intensiv, dass ich alles um
mich herum vergesse.
Halt!
So geht das nicht. Ruckartig reiße ich mich von David
los und rutsche ein Stück von ihm weg. Verwundert schaut er
mich an.
»Das ist nicht richtig«, erkläre ich, noch etwas außer Atem
von dem Kuss.
Davids Blick verschließt sich. Zugleich wird meine Sicht
wieder klarer.
Das ist David, der neben mir
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