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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Koboldgesicht und einer höchst unterwürfigen Art, sodass er sich in dem Augenblick, als wir zur Tür hereinkamen, die Schürze herunterriss, die Perücke aufsetzte, in den Rock fuhr und den Doktor aufs Servilste umschwänzelte.
    «Ich suche einen Buchhändler», brummte Newton. «Keinen Aufwärter.»
    «Doktor Newton», rief Mister Lowndes aus. «O Sir, welch große Ehre erweist Ihr meinem Geschäft, indem Ihr es betretet.
    Sucht Ihr etwas Bestimmtes, Sir?»
    «Ich bin auf der Suche nach Information über einen Kunden, den Ihr letztes Jahr hattet, Mister Lowndes. Einen Mister George Macey, welcher in der Königlichen Münzanstalt im Tower beschäftigt war. Wie ich es auch bin.»
    «Ja, ich erinnere mich an Mister Macey. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, es ist tatsächlich schon beinah ein Jahr her, dass ich ihn zuletzt gesehen habe. Wie geht es Mister Macey?»
    «Gar nicht, er ist tot», erwiderte Newton ohne Umschweife.
    «Oh, das tut mir Leid.»
    «Gewisse Umstände seines Todes weisen auf einen Mord hin», erklärte Newton. «Und da dies die Belange der Münze tangiert, halten wir es für geboten, mit jedem zu sprechen, der möglicherweise etwas Licht in Maceys Lebensgewohnheiten zu bringen vermag. Wir haben kürzlich herausgefunden, dass er ein Kunde von Euch war, Mister Lowndes. Daher wäre ich Euch sehr verbunden, wenn Ihr mir helfen könntet, indem Ihr Euch zu
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    erinnern versucht, mit wem Ihr ihn möglicherweise gesehen habt, welche Namen er Euch genannt haben könnte und vielleicht sogar, welche Bücher er erworben hat.»
    Mister Lowndes wirkte ob der Nachricht, dass Macey ermordet worden war, überaus bestürzt, tat aber unverzüglich, wie ihn Newton gebeten und konsultierte ein Rechnungsbuch.
    «Er war ein angenehmer Mensch», sagte Mister Lowndes, während er die dicken Seiten umwandte. «Kein gebildeter Mann wie Ihr, Doktor. Aber gewissenhaft und von wahrhaft christlichem Pflichtbewusstsein.»
    «Höchst löblich, zweifellos», murmelte Newton.
    Mister Lowndes fand die Seite, die er gesucht hatte. «Da haben wir's, Sir», sagte er. «Ja, er hat mehrere Werke didaktischer Art erworben, wie Ihr hier seht. Und eines, welches mich höchlichst erstaunte, da es so gar nicht wie die anderen war. Und zudem teuer. Sehr teuer für einen Mann von seinen Mitteln.»
    Newton folgte Mister Lowndes' Zeigefinger, musterte kurz den Eintrag und las dann Titel und Verfasser vor. «Polygraphia, von Trithemus. Ich weiß, dass Euer Latein gut ist, Mister Ellis. Aber wie steht's mit Eurem Griechisch, Sir?»
    «Polygraphia? Ich würde meinen, das heißt ‹viel Schrift›», sagte ich, der ich im Griechischen noch nie besonders gut gewesen war.
    «In etwa», pflichtete mir Mister Lowndes bei. «Wenn auch das Buch selbst auf Lateinisch geschrieben ist.»
    «Aber Macey konnte kein Latein», wandte Newton ein. «Der elementare Charakter der Lateinfibel, welche er von Mister Lowndes erwarb, dürfte das doch bestätigen.» Newton hielt inne und tippte mit dem knochigen Finger auf die Seite des Rechnungsbuches. «Hat er gesagt, wozu er dieses Buch wollte?»
    «Ich meine mich zu erinnern, dass es ein Geschenk für jemanden sein sollte. Aber für wen, weiß ich nicht zu sagen.»
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    «Könntet Ihr mir auch ein Exemplar dieses Werks besorgen, Mister Lowndes?»
    «Frühestens in ein paar Wochen», gestand Mister Lowndes.
    «Ich musste eigens nach Deutschland schicken, um das Exemplar für Mister Macey zu beschaffen. Ihr könntet es natürlich in der Gegend um St. Paul versuchen. Im Lateinischen Kaffeehaus kommen oft seltene und teure Bücher wie dieses zur Versteigerung.»
    Newton grunzte, wenig begeistert von einem so mühseligen Unterfangen.
    «Aber ich glaube, ich weiß, wo Ihr wenigstens ein Exemplar einsehen könntet, denn ich hatte dieses Buch vorher schon einmal geordert.»
    Mister Lowndes blätterte in dem Rechnungsbuch zurück, bis er fand, was er suchte.
    «Da haben wir's, Doktor. Der andere Kunde war Doktor Wallis.
    Für ihn habe ich dieses Buch ebenfalls bestellt.»
    «Doktor Wallis?», wiederho lte Newton. «Meint Ihr den Wallis, welcher den Savilius- Lehrstuhl für Geometrie in Oxford innehat, Sir?»
    «Jawohl, Sir, den Nämlichen. Ich glaube, ich habe das damals auch Mister Macey gesagt. Es interessierte ihn anscheinend sehr.»
    «Mich auch, Sir», gestand Newton. «Mich auch.»
    Früh am nächsten Morgen nahmen wir die Expresskutsche nach Oxford, was eine höchst strapaziöse Reise war, auf gefährlich nassen

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