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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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großen Isaac Newton getroffen, dessen mathematische Ideen mit solchem Beifall aufgenommen werden.»
    Newton verbeugte sich rief. «Doktor Wallis», sagte er. «Ich war nicht imstande, irgendetwas Allgemeines in Quadraturen zu finden, bis ich Eure Arbeit über infinitesimale Größen verstanden hatte.»
    Wallis nahm das Kompliment mit einem Nicken entgegen und entließ dann den Knaben, ehe er uns aufforderte, Platz zu nehmen und erklärte, es sei ihm eine große Ehre, dass Newton einen alten Gelehrten wie ihn eines Besuchs für würdig erachte.
    «Doch sagt, Sir», sagte er, «heißt das, Ihr habt Eure Entscheidung bezüglich der Veröffentlichung Eurer Optik in meinem Buch noch einmal überdacht? Ist das der Grund Eures Hier seins?»
    «Nein, Sir», sagte Newton geradeheraus. «Ich habe meine Meinung nicht geändert. Ich bin in Angelegenheiten der Königlichen Münze hier.»
    «Es ist noch nicht zu spät, wisst Ihr? Auch Mister Flamsteed schickt mir jetzt erst einen Bericht über seine Observationen, damit ich ihn aufnehme. Wollt Ihr es Euch nicht noch einmal überlegen, Doktor Newton?»
    -264-

    «Nein, Sir, weil ich mich davor fürchte, dass irgendwelche wirren Ignoranten Dispute und Kontroversen gegen mich anzetteln.»
    «Aber vielleicht wird irgendein anderer an Teile Eurer Theorie kommen und sie unter seinem Namen veröffentlichen», sagte Wallis. «Dann ist es nicht mehr Eure, sondern seine, auch wenn er vielleicht nie ein Zehntel von dem zustande bringen wird, was Ihr bereits geleistet habt. Bedenkt doch, dass es jetzt schon beinah dreißig Jahre her ist, dass Ihr diese Idee der Fluxionen...»
    «Ich glaube», unterbrach ihn Newton, «Ihr schriebt mir bereits einen Brief dieses Inhalts.»
    Wallis grunzte laut. «Ich gebe ja zu, Bescheidenheit ist eine Zier», sagte er. «Ich möchte nur darauf hinweisen, dass zu viel Schüchternheit ein Fehler ist. Wie sollen diese oder kommende Zeiten von Euren Entdeckungen erfahren, wenn Ihr sie nicht publiziert, Sir?»
    «Ich werde sie publizieren, Sir, wenn mir danach ist.»
    Wallis versuchte erfolglos, seinen Ärger zu verbergen.
    «Angelegenheiten der Münze, sagt Ihr?», wechselte er das Thema. «Ich habe gehört, dass Ihr jetzt Münzmeister seid. Von Mister Hooke.»
    «Vorerst bin ich lediglich Münzwart. Der Münzmeister ist Mister Neale.»
    «Der Lotterie-Neale?»
    Newton nickte mit einem schmallippigen Lächeln.
    «Aber ist diese Arbeit denn so interessant?»
    «Es ist ein Auskommen, weiter nichts.»
    «Mich wundert, dass Ihr keine Kirchenpfründe habt. Ich habe die Pfarrei von St. Gabriel in London.»
    «Ich tauge nicht für die Kirche», antwortete Newton. «Nur fürs Forschen und Ermitteln.»
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    «Nun denn, Sir, ich will der Münze gern zu Diensten sein, wenn ich auch, was Geld angeht, nur sagen kann, dass es in ganz Oxford keines gibt.» Wallis wies mit einer Armbewegung auf das Interieur. «Und was mein Fälschertalent angeht, alles, was ich zu fingieren vermag, ist diese Atmosphäre weltlichen Komforts. Das einzige Silber hier ist das College-Tafelsilber und alle klar denkenden Männer an dieser Universität fürchten den Ruin. Diese Münzerneuerung ist schlecht gehandhabt worden, Sir.»
    «Nicht von mir», insistierte Newton. «Aber ich bin wegen eines Buches hier, Sir, nicht wegen der Geldknappheit in Oxford.»
    «Bücher haben wir in Hülle und Fülle», sagte Wallis.
    «Manchmal wünschte ich, wir hätten weniger Bücher und mehr Geld.»
    «Ich suche ein bestimmtes Buch. Die Polygraphia des Trithemius. Welche ich gern einmal einsehen würde.»
    «Ihr habt einen weiten Weg gemacht, um ein altes Buch zu lesen.» Der Greis erhob sich aus seinem Sessel und nahm ein hübsch gebundenes Buch aus seinem Bücherregal.
    «Die Polygraphia? Das ist allerdings ein altes Buch. Es erschien erstmals 1517. Dies ist eine Originalausgabe, welche ich seit fünfzig Jahren besitze.»
    «Aber habt Ihr nicht noch ein anderes Exemplar bestellt bei Mister Lowndes im Savoy?», fragte Newton.
    «Wer hat Euch das gesagt, Sir?»
    «Nun, Mister Lowndes natürlich.»
    «Das behagt mir gar nicht, Sir», sagte Wallis stirnrunzelnd. «Ein Buchhändler sollte Schweigen bewahren, genau wie ein Arzt.
    Wo kommen wir denn hin, wenn jeder weiß, was der andere liest? Dann, Sir, würden einem Bücher aufgeschwatzt wie Wunderelixiere und jeder Quacksalber in der Zeitung priese die Vorzüge irgendeines Werkes.»
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    «Ich bedaure die Störung, Sir. Aber es handelt sich, wie gesagt, um

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