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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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eine dienstliche Angelegenheit.»
    «Eine dienstliche Angelegenheit?» Wallis drehte das Buch hin und her und streichelte höchst liebevoll den Einband.
    «Dann will ich's Euch sagen, Doktor. Ich habe ein weiteres Exemplar der Polygraphia für meinen Enkelsohn William geordert. Ich lehre ihn seit einiger Zeit das Handwerk, in der Hoffnung, dass er eines Tages in meine Fußstapfen tritt, denn er zeigt eine frühe Begabung.»
    Eine frühe Begabung worin?, fragte ich mich. Im Schreiben?
    Keiner von uns, weder Newton noch ich, hatte eine genauere Vorstellung, worum es in diesem Buch des Trithemius ging.
    «Trithemius ist eine brauchbare Einführung in das Thema, Sir», fuhr Wallis fort, indem er Newton das Buch reichte. «Wenn ich auch nicht glaube, dass sich ein Mann wie Ihr lange bei diesem Buch aufhalten würde. Portas Werk De Furtivis Literarum Notis ist Euren Geistesgaben angemessener. Vielleicht auch John Wilk ins' Mercury or The Swift and Secret Messenger. Oder aber John Falconers Cryptomenytices Patefacta, welches neuer ist.»
    «Cryptomeneses», flüsterte mir Newton zu, während Wallis zwei weitere Bände aus dem Regal holte. «Natürlich. Geheime Mitteilungen. Jetzt erst wird es mir klar.» Und als er mich noch immer verständnislos gucken sah, sagte er, jetzt eindringlicher:
    «Cryptographia, Mister Ellis. Geheimschrift.»
    «Was sagt Ihr?», fragte Wallis.
    «Ich sagte, dieses hier würde ich auch gern lesen.»
    Wallis nickte. «Wilkins lehrt lediglich, wie man eine Geheimschrift erstellt, nicht aber, wie man sie enträtselt. Nur Falconer ist wirklich praktisch, denn er schlägt Methoden vor, Chiffren zu entschlüsseln. Und doch glaube ich, dass man, um ein Kryptogramm zu dechiffrieren, stets am besten beraten ist, sich auf den eigenen Fleiß und die eigene Beobachtungsgabe zu
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    verlassen. Meint Ihr nicht auch, Doktor?»
    «Doch, Sir. Für mich hat sich das stets als die beste Methode erwiesen.»
    «Dennoch ist es für einen Mann meines Alters ein schwerer Dienst. Es kam schon vor, dass ich ein ganzes Jahr an einer bestimmten Dechiffrierung saß. Mylord Nottingham hat nie verstanden, wie langwierig solche Dinge sein können. Er drängte stets auf eine prompte Lösung. Aber ich muss durchhalten, zumindest bis William so weit ist, die Arbeit zu übernehmen. Wenn sie auch wenig Lohn bringt.»
    «Es ist der Fluch der Gelehrten, nicht genügend gewürdigt zu werden», bemerkte Newton.
    Wallis schwieg, als dächte er über Newtons Worte nach.
    «Es ist wahrhaftig seltsam», sagte er schließlich. «Jetzt erinnere ich mich wieder, dass vor ungefähr einem Jahr schon einmal jemand von der Münze bei mir war. Ich bitte um Verzeihung, Doktor Newton. Das war mir völlig entfallen. Wie war doch gleich sein Name?»
    «George Macey», sagte Newton.
    «Richtig. Er brachte eine kleine Probe einer Chiffre mit, welche mir noch nie begegnet war und erwartete, dass ich daran ein Wunder vollbrächte. Natürlich. Das erwarten sie immer. Ich sagte ihm, er solle mir noch einige solche Briefe bringen, dann hätte ich eine gewisse Chance, diesen schwierigen Code zu entschlüsseln. Er ließ mir den Brief hier, aber ich hatte kein Glück damit, denn es war der schwierigste Code, der mir je untergekommen war, zumal ich, wie gesagt, ohnehin nicht genug Material hatte, um mit einem Erfolg rechnen zu können.
    Und so legte ich den Brief beiseite. Ich habe bis eben überhaupt nicht mehr daran gedacht, aber ich habe auch nie wieder etwas von Mister Macey gehört.»
    Als Wallis das mit dem Brief sagte, sah ich förmlich, wie Newtons kaltes Herz einen Moment aussetzte. Er beugte sich
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    vor, kaute einen Moment am Gelenk seines Zeigefingers und fragte dann, ob er den Brief, den Macey dagelassen habe, sehen könne.
    «Allmählich verstehe ich, worum es geht», sagte Wallis und zog den Brief aus einem Stapel von Papieren, welcher auf dem Fußboden lag. Er schien genau zu wissen, wo alles war, wenn ich auch kaum irgendeine Ordnung ausmachen konnte und als er meinem Herrn den Brief reichte, gab er ihm einen guten Rat dazu.
    «Wenn Ihr Euch an dieser Dechiffrierung versucht, lasst mich wissen, wie es Euch ergeht. Aber denkt stets daran, Euch das Gehirn nicht zu sehr zu zermartern, denn die geistige Arbeit an diesen Dingen zehrt an den Nerven, sodass der Verstand hinterher zu nichts zu gebrauchen ist. Und bedenkt auch, was Signor Porta sagt: Wenn das Thema bekannt ist, kann der Entschlüssler die im jeweiligen Zusammenhang

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