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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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schlechte Gewissen ins Gesicht geschrieben.
    «Oh, Mister Defoe», sagte Newton, «wolltet Ihr zu uns?» Mister Defoe legte ein paar Münzdokumente, welche er studiert hatte, aus der Hand, drehte und wand sich wie ein Tanzmeister und stammelte eine bruchstückhafte Erklärung. «Ja», sagte er, wobei er errötete wie eine Jungfrau. «Ich habe nur gewartet, dass Ihr zurückkehrt. Um Euch Informationen zu bringen.»
    «Informationen? Worüber denn?» Newton nahm die Papiere auf, die Mister Defoe gelesen hatte und überflog den Inhalt, während der Eindringling die Sprache wiederzufinden suchte.
    «Über gewisse Falschmünzer», erklärte Mister Defoe. «Ihre Namen kenne ich nicht, aber sie operieren von einem Wirtshaus in der Fleet Street aus.»
    «Meint Ihr das Goat?»
    «Ja, das Goat», antwortete Mister Defoe.
    Newton zuckte zusammen, als täten ihm Mister Defoes Worte weh. «Oh, Ihr enttäuscht mich. Das Goat ist in Charing Cross, zwischen dem Checker Inn an der Südwestecke St. Martin's Lane und dem Royal Mews weiter westlich. Wenn Ihr gesagt hättet, im George...»
    «Ich meinte das George.»
    «Dann hättet Ihr Euch ebenfalls geirrt, den das George ist in Holborn, nördlich vom Snow Hill. So ein Pech aber auch. Es gibt so viele Schänken in der Fleet Street, die Ihr hättet nennen können: das Globe, das Hercules' Pillars, das Horn, das Mitre
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    und das Penell's. Wir kennen sie alle, nicht wahr, Mister Ellis?»
    «Ja, Doktor.»
    «Vielleicht meintet Ihr ja das Greyhound? Auf der Südseite, Nähe Salisbury Court? Das ist ein Wirtshaus, welches immer schon als Treffpunkt von Falschmünzern galt.»
    «Das muss es gewesen sein.»
    «Bis es beim Großen Feuer niederbrannte. Ihr sagtet doch, Ihr hättet Informationen für uns?»
    «Ich habe mich geirrt», sagte Mister Defoe.
    «Das habt Ihr allerdings», sagte Newton. «Mister Defoe, Ihr seid verhaftet. Mister Ellis? Zieht Euren Degen und haltet diesen Schurken in Schach, während ich eine Wache holen gehe.»
    Ich zog meinen Dege n, wie Newton mir befohlen und richtete die Spitze auf Mister Defoe.
    «Unter welcher Beschuldigung nehmt Ihr mich fest?»
    «Spionage», sagte Newton.
    «Unsinn.»
    «Dies sind geheime Dokumente, an denen die Sicherheit des Geldes in diesem Königreich hängt. Ich wüsste nicht, wie ich es sonst nennen sollte, Sir.»
    «Meint er das ernst?», fragte Defoe, als Newton die Amtsstube verlassen hatte.
    «Er meint so selten etwas anders als ernst, dass ich mich frage, ob er auch nur einen einzigen Witz kennt», sagte ich. «Aber Ihr werdet gewiss sehr bald herausfinden, ob er Euch foppt oder nicht.»
    Newton hielt Wort, kam mit zwei Wachsoldaten wieder zurück und stellte in seiner Eigenschaft als Richter rasch einen Haftbefehl aus.
    «Mister Neale wird das nicht dulden», sagte Mister Defoe. «Er wird mich im Nu hier wieder herausholen.»
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    Newton übergab den Haftbefehl einem der Wachsoldaten und befahl diesem zu unser aller Erstaunen, den Gefangenen nicht in das Tower-Gefängnis, sondern nach Newgate zu bringen.
    «Newgate?», rief Mister Defoe aus.
    «Das dürftet Ihr doch recht gut kennen», sagte Newton. «Wir werden ja sehen, was Eure Freunde für Euch tun können, wenn Ihr dort drinnen sitzt.» Und damit wurde der arme Daniel Defoe, noch immer laut protestierend, aus der Amtsstube geführt.
    «Und jetzt», sagte Newton, als wir wieder allein waren,
    «brauchen wir erst mal ein Feuer und ein Abendessen.»
    Nach dem Essen hieß mich Newton zu Bett gehen, was ich gern tat, wenn ich ihn auch nicht ganz ohne schlechtes Gewissen allein bei der Arbeit zurückließ. Als ich am nächsten Morgen früh aufstand, um meinerseits ein paar Schreibarbeiten zu erledigen, stellte ich fest, dass er gar nicht zu Hause gewesen war und an seiner schlechten Laune war abzulesen, dass er noch nicht die erwarteten Fortschritte gemacht hatte. Es hob seine Stimmung auch nicht gerade, dass plötzlich Lord Lucas in der Amtsstube erschien, sich lauthals über mein Verhalten dem verstorbenen Major Mornay gegenüber beschwerte und das, was zwischen uns abgelaufen war, so wahrheitswidrig schilderte, dass ich glaubte, er hätte etwas gegen mich oder dächte zumindest, dass ich den Major in den Selbstmord getrieben hätte. Aber das kümmerte mich einen Scheißdreck, zumal Newton mir beisprang, alle Schuld auf sich nahm und sagte, Mornay sei ermordet worden.
    «Ermordet?» Lord Lucas, der so steif auf seinem Stuhl saß, als fürchte er, sein Halstuch zu

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