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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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zugehörige E des Schlüsselwortes um eins erhöht wird, zu F, dasselbe gilt für die Chiffre-Buchstaben T, Q und U, nicht aber für H, sodass unser nächstes Schlüsselwort FMMJS lautet. Damit hätten wir THELO RDISM ELLIS FMMJS YTQUH XQVCF.

    Nach demselben Verfahren verändern jetzt X, Q und V erneut die entsprechenden Buchstaben unseres Schlüsselworts zu G, N, N, wohingegen C und F, da sie vor L kommen, keine Erhöhung bewirken. Also erhalten wir jetzt das Schlüsselwort GNNJS. So bekommen wir schließlich

    THELO RDISM YLIGH T ELLIS FMMJS GNNJS G
    YTQUH XQVCF FZWQA A.

    Um die Chiffre zu dechiffrieren, zieht man den Zahlenwert des Schlüsselwortbuchstabens vom Zahlenwert des Chiffrebuchstabens ab und zählt jeweils 26 dazu. Also zum Beispiel: Y=25 minus E=5 ergibt 20, plus 26 macht 46 oder den Buchstaben T. Ebenso für den letzten Buchstaben der Chiffre: A
    = 1 minus G = 7 ergibt minus 6, plus 26 macht 20 = T.
    Das ist eine überaus brillante mathematische Variation, da das System auf diese Weise nahezu undurchschaubar wird.»
    «Wie seid Ihr darauf gekommen, Sir?»
    «Dank Mister Scroopes ignoranter Variation wäre ich beinahe gar nicht darauf gekommen», gestand Newton. «Er war so schlau, eine kleine mathematische Reihe in das Material einzubringen, welches er der ersten Botschaft entnahm, der, die er von George Macey hatte. Er addierte einfach eins zum ersten
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    Buchstaben, subtrahierte dann eins vom zweiten, addierte zwei zum dritten, subtrahierte zwei vom vierten und so fort. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich erkannte, dass die Botschaft, welche in Kreideschrift neben Mercers Leichnam an der Mauer stand, letztlich die erste Zeile jenes Briefes war, den Macey in seinem Besitz gehabt hatte. Und als ich das begriff, wurde mir klar, dass die Chiffre hier ignorant angewandt worden war, von jemandem, der sie nicht durchschaute und mich nur noch mehr verwirren wollte. Erst als ich diese Botschaft gänzlich außer Acht ließ, begannen die übrigen Briefe eine mathematische Konsistenz aufzuweisen.
    Was die Dechiffrierung des Restes anbelangt, muss ich zugeben, dass mir ein glücklicher Umstand zur Hilfe kam. Nichts unterminiert die Sicherheit eines Geheimcodes so wirksam wie die Schwächen des Menschen. Denn der Mensch ist der natürliche Feind der Mathematik, da er zu Fehlern und Gewohnheiten neigt. Die Verschwörer verwandten durchgängig zwei bestimmte Sätze, als Invokation ihres ungeheuerlichen Zelotismus und Fanatismus. Denn wie Ihr gleich sehen werdet, sind sie genau das: Zeloten und Fanatiker der schlimmsten Sorte und eine große Gefahr für die Sicherheit des Königreichs.»
    Newton versuchte mir die vielen Differenziationen zu demonstrieren, welche er in monatelanger Arbeit erstellt hatte, aber da waren so viele quadratische Terme, dass ich nur sehr vage nachvollziehen konnte, wie er die Chiffre entschlüsselt hatte. Später verstand ich es besser, weil ich einen Brief kopierte, welchen Newton an Wallis schrieb und worin er das System der Chiffre aufs Genaueste erklärte, nicht aber seine mathematische Vorgehensweise, denn er sagte, das hieße, Wallis Einblick in sein Denken zu gewähren und dazu habe er gar keine Lust.
    In diesem Moment brummte mir jedoch von all der Algebra nur der Kopf, als wäre ich wieder in der Schule oder auf meinem Krankenlager, damals, als Newton meine Genesung zu fördern
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    versucht hatte, indem er mir seine Methode der Fluxionen auseinander setzte. Doch die Botschaften selbst waren nur zu klar und vermittelten die Ahnung von etwas Schrecklichem, das im Tower noch immer im Gange war.
    «Die beiden Sätze, die sie durchgängig benutzten und die ihnen letztlich zum Verderben wurden, lauten: ‹Denkt an St.
    Bartholomäus› und ‹Denkt an Sir Edmund Berry Godfrey›.»
    «Das stand doch auf Mornays Dolch», rief ich aus.
    «Genau», sagte Newton. «Und es war auch Teil jener Briefzeile, welche Scroope noch etwas zu komplizieren beschloss. Nun denn, die erste Botschaft, die wir entdeckten, fanden wir am Leib des toten Mister Kennedy - dort hinterlassen von Mister Scroope, welcher sie von Mister Macey hatte, wobei keiner von beiden ahnte, was sie bedeutete. Ich glaube nicht, dass wir je erfahren werden, wie es dazu kam, dass Mister Macey diese Botschaft abfing. Aber ich vermute, dass diejenigen, die diese Chiffre benutzten, so sehr auf ihre sphinxgleiche Undurchschaubarkeit vertrauten, dass sie nicht sonderlich vorsichtig mit ihrer Korrespondenz umgingen. Also kann

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