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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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er auf einem Kohlebecken vor dem noch sichtbar atmenden Mann, der, wäre da nicht die enge Schlinge um seinen Hals gewesen, gewiss seine Todespein herausgeschrien hätte.
    Newton zuckte nicht mit der Wimper und als ich seine Miene ein paar Sekunden studierte, sah ich, dass er, wenn er auch kein Vergnügen an diesem traurigen Spektakel fand, so doch kein Zeichen von Milde zeigte und ich hatte beinahe das Gefühl, dass mein Herr das Ganze betrachtete, wie er die Sektion eines menschlichen Leichnams in der Royal Society betrachtet hätte, nämlich als eine Art experimentelles Unterfangen.
    Schließlich schlug der Henker Cooke den Kopf ab, hielt ihn, auf ein Zeichen des Sheriffs, zur Ermunterung der Menge in die Höhe und verkündete, dies sei der Kopf des Peter Cooke, eines Schurken und Verräters. So endete dieser schreckliche, blutige Vormittag.
    Vom Tyburn nahmen wir eine Mietkutsche zu Newtons Haus, wo uns Mrs. Rogers, die Haushälterin, ein Huhn zum Mittagessen bereitet hatte. Newtons Appetit war durch den grausamen Bestrafungsakt, dem wir beigewohnt hatten, nicht beeinträchtigt, aber mich trieb es, darüber zu reden, da mir wenig nach Essen war, solange ich das herausgerissene Gedärm eines anderen Mannes noch so plastisch vor mir sah.
    «Ich kann mir nicht vorstellen, dass Recht und Gesetz mit solcher Härte am besten gedient ist», erklärte ich. «Sollte ein Mann, der Münzen fälscht, genauso bestraft werden wie einer, der Mordpläne gegen den König schmiedet?»
    «Das eine ist dem reibungslosen Ablauf der Staatsgeschäfte so abträglich wie das andere», erklärte Newton. «Ja, man könnte sogar geltend machen, dass man einen König vielleicht ermorden kann, ohne das ganze Land in größere Erschütterungen zu stürzen, so wie im alten Rom, wo die Prätorianer ihre Herrscher töteten, wie Knaben Fliegen töten.
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    Aber wenn das Geld nicht in Ordnung ist, dann fehlt dem Land ein echter Maßstab des Wohlstands und an diesem Leiden wird es schnell zugrunde gehen. Doch es ist nicht an uns, über die Gerechtigkeit der Strafe zu debattieren. Das ist Sache der Gerichte. Oder des Parlaments.»
    «Ich will lieber im Bett ermordet als so behandelt werden.»
    «Hingerichtet zu werden ist doch in jedem Fall besser, als ermordet zu werden, denn ein zum Tode Verurteilter hat noch Gelegenheit, mit dem Allmächtigen ins Reine zu kommen.»
    «Erzählt das Peter Cooke», sagte ich. «Ich würde meinen, er hätte es vorgezogen, ein schnelles Ende zu nehmen und auf Gottes nachfolgenden Richtspruch zu vertrauen.»
    Das überaus stürmische Novemberwetter wich Anfang Dezember einem grimmen Frost, gerade als sich Gerüchte verbreiteten, die französische Flotte treffe Vorbereitungen für eine Landung in Irland. Mein Herr und ich hatten den ganzen Vormittag in der Amtsstube verbracht, die nahe dem Byward Tower, über dem Eingang zur Münze, lag. Wie alles im Tower war sie ein feuchtes kleines Gelass, wogegen ein kräftiges Feuer auch nicht viel auszurichten vermochte, sodass ich häufig an einem bösen Husten litt. Oft schimmelten unsere Dokumente, sodass ich sie vor dem Feuer trocknen musste.
    Die Amtsstube selbst war mit mehreren bequemen Sesseln, zwei, drei Schreibtischen, ein paar Borden und einem Nachtstuhl möbliert. Sie hatte zwei Fenster: eins zur Mint Street hinaus, das andere zum Festungsgraben, in den wir unser Nachtgeschirr leerten. Dieser Graben war etwa zehn Fuß tief und dreißig Fuß breit und einst mit Schlangen, Krokodilen und Alligatoren aus der Königlichen Menagerie bestückt gewesen.
    An diesem Vormittag fischten zwei Schleppfischer mit Genehmigung des Lord Lieutenant das dreckige Wasser ab, denn es gehörte zu den Privilegien des Ortes, dass alles, was in den Graben fiel, Eigentum des Tower und somit des Lord
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    Lieutenant war. Wir schenkten ihnen wenig Beachtung, da uns das Gerücht in Atem hielt, es gebe ein neues, perfektioniertes Verfahren zur Fälschung von Goldguineen, was meinem Herrn von Humphrey Hall hinterbracht worden war, einem Münzwerker, der zu seinem weitgespannten Informantennetz gehörte und ein überaus verlässlicher und fleißiger Bursche war.
    Doch jetzt erreichte uns die Nachricht, einer der Schleppfischer habe aus dem Graben eine Männerleiche gezogen, deren Zustand den Verdacht nahe lege, dass der Mann ermordet worden sei, denn die Füße seien zusammengebunden und der Körper vermutlich mit einem Gewicht beschwert gewesen.
    «Das ist interessant», bemerkte mein Herr, der,

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