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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Plätzchen, wo eine Dirne aus dem Stone Kitchen einen Mann für ein paar Kupfermünzen bedienen konnte und das war nur einer der Gründe, warum sich mein Herr nur selten durch die Tür des Wirtshauses wagte.
    Nicht minder verabscheute er den Suff und die Schlägereien, die sich als Konsequenz nicht selten zwischen Münzwerkern und Ordnance-Mitgliedern entspannen. Ich hingegen besuchte dieses Haus häufig, wenn mein Herr daheim in der Jermyn Street war, denn es stand fest, dass das Stone Kitchen der gemütlichste Ort im ganzen Tower war, mit einem mächtigen Herd und einem riesigen Schmorkessel, der gewöhnlich einen ausgezeichneten Eintopf enthielt, denn trotz ihres unzüchtigen Tuns und seiner zu vermutenden gesundheitlichen Folgen, im Sommer roch ihr Geschlechtsteil so ranzig wie der Hund eines Schotten war die
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    Wirtin eine ausgezeichnete Köchin.
    Als wir das Wirthaus betraten, musterte Newton die anwesenden Gäste mit dem tadelnden Blick eines Jeremia, was uns ein leises Stöhnen und ein noch leiseres Sortiment obszöner Bemerkungen als Begrüßung eintrug und es gilt vielleicht noch einmal festzuhalten, dass Newton nicht sonderlich geschickt im Umgang mit gewöhnlichen Menschen war und daher manchmal wie ein alter Philister wirkte.
    Wir setzten uns, weil es draußen kalt war, dicht ans Feuer und wärmten uns Hände und Füße und nachdem wir zwei Krüge heißen gebutterten Bieres bestellt hatten, blickten wir in die Runde der Münzwerker und Wachsoldaten, welche hier ihren Feierabend begingen. Ich nickte einigen bekannten Gesichtern zu: einem Gießereiaufseher, einem Stempelschneider, einem Präger und dem Tower-Barbier. Ich begrüßte sogar Mister Twistleton, der mit zerzaustem Haar und bleichem Gesicht sanftmütig zwischen Wachsoldat Bull und Sergeant Rohan saß und wie der Mittelteil eines in dickes Leder gebundenen Buches wirkte. Er lächelte zurück und vertiefte sich dann wieder in ein Blatt Papier, welches ihn außerordentlich zu fesseln schien.
    Und natürlich lächelte ich auch der Wirtin zu, die uns unser gebuttertes Bier brachte und mich mit einem fast schon venerischen Blick streichelte, wenn sie auch die Güte besaß, in Gegenwart meines Herrn nicht zu vertraut mit mir zu reden, was mir denn doch peinlich gewesen wäre.
    Newton betrachtete sie alle mit dem Argwohn eines Hexenjägers und wie er so dasaß, zwischen den kräftigen Münzern und Wachsoldaten, deren Benehmen jeder Mäßigkeit spottete und deren Gesichter solche Durchtriebenheit spiegelten, hätte ich schwören können, dass er in jedem einzelnen Bierkrug den eiskalten Komplizen eines Münzfälschers sah.
    Wir tranken unser Bier und schwiegen vor uns hin, bis Jonathan Ambrose, ein Goldschmied, der als Gießer und Justierer im
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    Dienst der Münze stand und dem Newton ohnehin schon misstraute, da sein Vetter wegen Wegelagerei gehängt worden war, mit verächtlicher Miene auf uns zukam und eine höchst beleidigende Ansprache an meinen Herrn richtete.
    «Doktor Newton, Sir», sagte er, voll bis an den Kragen. «Ich sag's Euch offen, Ihr seid hier nicht gern gesehen. Ja, ich glaube, Ihr seid der unbeliebteste Mann im ganzen Tower.»
    «Setzt Euch hin, Mister Ambrose», rief Sergeant Rohan. «Und hütet Eure Zunge.»
    Newton blieb, scheinbar ungerührt, sitzen und ignorierte Ambrose, aber ich, der ich Ärger witterte, erhob mich von unserer Bank, um meinen Körper zwischen den Goldschmied und meinen Herrn zu schieben.
    «Ist doch wahr, bei den Huren des Herrn», insistierte Ambrose.
    Er war ein langer Kerl und es kam mir vor, als spräche er sozusagen im Damensattel, denn sein Mund war dabei ganz auf der einen Seite der Nase.
    «Setzt Euc h hin», befahl ich Ambrose und schob ihn sachte weg.
    «Hol's die Pest, ich denke nicht dran», fauchte Ambrose, der Mund ein geifernder schräger Schlitz. «Warum sollt' ich?»
    «Weil Ihr betrunken seid, Mister Ambrose», sagte ich und drängte ihn noch weiter zurück, denn er zeigte jetzt höchst angriffslustig auf Newton, als sei sein Zeigefinger ein Spieß.
    «Und weil Ihr überaus aufdringlich seid.»
    «Hütet Euch, Doktor», sagte Ambrose, den Kopf über meine Schulter reckend. «Hier im Tower kommt mancher zu Tode.»
    «Ich glaube, wir haben genug von Euch gehört, Jonathan Ambrose», verkündete der Wirt.
    In diesem Moment flog Ambroses Faust auf meinen Kopf zu.
    Ich konnte ihr leicht ausweichen, war aber entschlossen, dem Kerl die Unverschämtheit heimzuzahlen und traf ihn, auf

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