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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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nennen.» Die beiden Soldaten entfernten sich in Richtung Bloody Tower. Ich war fast so verblüfft, wie sie es eben gewesen waren.
    Newton verfolgte ihren Rückzug fast schon entzückt und rieb sich die Hände. «Ich glaube, ich habe den Bären in die Arena gelassen.»
    «Aber war es klug, sie derart zu provozieren, Doktor?», fragte ich. «Wo hier bereits zwei Morde geschehen sind?»
    «Drei», sagte Newton. «Vergesst den armen Mister Macey nicht.»
    «Aber ermahntet Ihr mich nicht selbst, nicht daran zu denken?
    Aus Furcht, es könnte die Münzerneuerung aufhalten? Wenn nicht Schlimmeres?»
    «Dafür ist es wohl leider zu spät. Das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen. Und in der letzten halben Stunde kam mir der
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    Gedanke, dass es eben gerade die Absicht des Mörders war, die Münzerneuerung zu hintertreiben.»
    «Wenn dieser Mord publik wird, werden die Münzwerker vor lauter Angst vielleicht gar nicht mehr in den Tower kommen.»
    «Das stimmt allerdings. Ich werde mit Mister Hall reden und ihm raten, die Löhne der Münzwerker zu erhöhen, um ihrer Angst Rechnung zu tragen.»
    Newton sah den entschwindenden Gestalten des Sergeants und des Majors nach.
    «Doch ich glaube, diese beiden gilt es zu provozieren. Sie sind viel zu konspirativ. Wie Brutus und Cassius. Vielleicht verraten sie sich und ihre Pläne ja jetzt auf irgendeine Art. Denn es scheint doch wohl gewiss, dass hier im Tower irgendetwas Heimliches im Gange ist.»
    «Aber, Herr, woher wusstet Ihr von alledem? Von ihrem Streit.
    Der Gürtelschließe. Dem Brief. Sie werden Euch gewiss der Hexerei verdächtigen.»
    «Es war lediglich das Hexenwerk zweier polierter Kupferschalen», sagte Newton. «Die eine konvex, die andere konkav und beide exakt zueinander justiert.»
    «Das Teleskop», rief ich aus. «Natürlich. Ihr habt sie vom Nordostturm des White Tower aus gesehen.»
    «So ist es», gestand Newton. «Ich sah sie, wie ich sagte, äußerst heftig streiten, sodass ich eben erstaunt war, sie wieder ganz einträchtig zu finden. Wenn mir in dieser dunklen Materie eines sonnenklar ist, dann dass Sergeant Rohan etwas weiß, womit er den Major in der Hand hat, denn sonst wäre er verhaftet und ausgepeitscht worden, weil er sich an einem Offizier vergriffen hat. Ich muss sie beide noch einmal befragen und zwar getrennt.»
    «Für einen Moment hätte ich schwören können, dass der Sergeant sich auch an Euch vergreifen würde. Ich dachte schon,
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    ich müsste mein Rapier zu ihm sprechen lassen.»
    «Ich bin sehr froh, Euch beide um mich zu haben», sagte Newton. «Zumal an einem so kalten und finsteren Ort wie diesem. Wo man glauben könnte, zur Hölle gefahren zu sein.
    Wir müssen mehr über Sergeant Rohan und Major Mornay in Erfahrung bringen. Das soll morgen Eure erste Aufgabe sein.»
    Wir gingen zurück in die Münze, wo wir feststellen mussten, dass sich die Münzwerker der Nachtschicht bereits vor der Amtsstube des Münzwarts versammelt hatten und jetzt lauthals kundtaten, dass die Münze kein sicherer Ort zum Arbeiten sei und die Münzerneuerung des Königs ihnen gestohlen bleiben könne.
    «Wir werden noch alle ermordet, wenn wir hier bleiben», sagte einer. «Erst Lord Lucas, der uns Münzern beständig an den Karren fährt und jetzt diese schrecklichen Morde. Die Arbeit hier ist rechtschaffenen Männern wahrlich nicht mehr zuzumuten.»
    «Wir müssen diesen Unmut im Keim ersticken», murmelte Newton, «sonst geht der Krieg verloren, weil es an Geld fehlt, um die Truppen des Königs zu besolden.»
    Newton hörte sich ihre Proteste geduldig an, hob dann schließlich die Hände, um den allgemeinen Lärm abzustellen und sprach zu den aufgebrachten Münzern.
    «Hört mir zu», appellierte er an sie. «Ihr habt von den Franzosen mehr zu befürchten als von diesem Mörder, der bald gefasst sein wird. Mein Wort darauf.»
    «Wie denn?», brüllte ein Mann.
    «Ich werde ihn ergreifen, Ihr könnt Euch darauf verlassen», insistierte Newton. «Aber es ist nur recht und billig, Euch angemessen dafür zu belohnen, dass Ihr trotz dieser abscheulichen Verbrechen weiterhin Eure ganze Kraft in den Dienst der Münzerneuerung stellt. Ich werde mit den Lords des Schatzamtes sprechen und beantragen, dass Ihr eine Prämie für
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    Eure wichtige Arbeit hier in der Münze erhaltet. Jeder, der hier bleibt und weiter arbeitet, wird fünf Guineen zusätzlich bekommen, wenn dieses große Werk vollendet ist. Mein Wort darauf. Auch wenn ich diese Prämie

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