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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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auf einem Heuwagen in den Tower zu transportieren.
    Vom Byward aus nahmen wir die Water Lane und als wir in den inneren Festungsteil kamen, lenkten wir unseren Schritt zum Grand Storehouse, weil uns der Torwächter geraten hatte, dort
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    nach Sergeant Rohan zu suchen. Auf Höhe der königlichen Kapelle St. Peter ad Vincula sahen wir im Dunkeln zwei Männer auf uns zukommen, in denen wir erst im letzten Moment Sergeant Rohan und Major Mornay erkannten.
    «Doktor Newton?», sagte Mornay. «Was sind das für Gerüchte?
    Es heißt, man habe einen weiteren Toten gefunden.»
    «Ja, Major. Daniel Mercer. In der Münze.»
    «Mercer?», sagte Mornay. «Glaube nicht, dass ich den kannte.
    War er einer von Euren Leuten, Doktor?»
    «Ja, Major», sagte Newton. «Er war Stempelschneider.»
    «Das ist höchst rätselhaft», sagte Mornay.
    «Ja, auch für mich, der ich es nach eigenem Ermessen untersuchen muss.»
    «Lord Lucas muss unterrichtet werden.»
    «Das wird er auch», konzedierte Newton. «Aber erst dann, wenn ich genug zu wissen glaube, um nicht seiner Lordschaft kostbare Zeit zu verschwenden. Er hat doch gewiss wichtige Dinge zu tun, außerordentlich wichtige Dinge.»
    «Ja, natürlich», pflichtete ihm Mornay, nicht gänzlich überzeugt, bei.
    «Aber vielleicht könnt Ihr und der Sergeant meine Ermittlungen in einem Punkt beschleunigen, da es ja möglich wäre, dass Ihr etwas gesehen habt, als Ihr Euch heute Abend beim Brass Mount traft. Etwa um dieselbe Zeit wurde Mercers Leichnam auf der Sally-Port-Treppe abgelegt.»
    «Ihr irrt Euch, Doktor», sagte der Major. «Wir waren nicht auf dem Brass Mount.»
    Newton lächelte sein eisigstes Lächeln. «Die Welt will getäuscht werden.» Er nahm seinen Hut ab und sah, laut seufzend, zum sternenübersäten Himmel empor. «Bis auf mich. Ich halte es nicht mit der Art der Welt, Major Mornay. Und mir liegt nichts daran, getäuscht zu werden, wenn mir meine eigenen Sinne das
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    Gegenteil sagen. Also noch einmal: Ihr und Sergeant Rohan habt Euch auf dem Brass Mount getroffen und ich bitte Euch, mir zu sagen, ob Ihr drunten in der Mint Street irgendetwas Außergewöhnliches gesehen habt.»
    «Ich muss gehen», sagte der Major steif. «Ich habe keine überschüssige Zeit, die ich auf Eure Konversation vergeuden könnte, Doktor Newton. Ihr habt meine Antwort gehört, Sir.»
    «Ehe Ihr geht, Major», sagte Newton, «hättet Ihr Eure Gürtelschnalle gern wieder?»
    Der Major griff sich an die Schnalle seines Schwertgurts, fand sie aber nicht und gaffte mit offenem Mund, als Newton sie ihm auf der flachen Hand präsentierte wie ein Zauberer eine aus der Luft gezauberte Münze.
    «Silber, nicht wahr?», fragte Newton.
    «Wie kommt Ihr daran, Sir?», fragte Mornay und nahm die Schließe von Newtons Hand.
    «Ich fand sie auf der äußeren Mauer», sagte Newton. «Beim Brass Mount. Ich glaube, sie fiel Euch vom Gürtel, als Sergeant Rohan Euch niederschlug und dann wieder auf die Beine zog.»
    «Uns kann unmöglich jemand beobachtet haben», flüsterte Major Mornay.
    «Sagt, Major, ist es in der Armee üblich, dass Sergeants ihre vorgesetzten Offiziere ungestraft niederschlagen?»
    «Ihr müsst Euch irren, Sir», sagte Sergeant Rohan. «Ich habe keinen Offizier geschlagen.»
    «Und wohl auch nicht bedroht?»
    «Es war eine Privatangelegenheit», sagte Mornay. «Zwischen zwei Gentlemen.»
    «Nein, Sir, zwischen einem Offizier und einem Sergeant. Sagt, Major, tragt Ihr den Brief noch bei Euch, den Euch der Sergeant gab?»
    «Brief?»
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    «Und Ihr, Sergeant? Habt Ihr die Guinee des Majors noch?»
    «Was seid Ihr für ein Mensch?», fragte Rohan so entsetzt, als hielte er es für Hexerei, dass Newton so viel über ihre Machenschaften wusste.
    «Ich bin ein Mensch, der vieles sieht und noch mehr begreift», sagte Newton. «Denkt daran, wenn Ihr und Major Mornay das nächste Mal Eure Heimlichkeiten besprecht. War es das, worüber Ihr in Streit gerietet? Das geheimste aller Geheimnisse?»
    «Ich weiß nicht, was Ihr meint, Sir», antwortete Sergeant Rohan.
    «Ich kann mir nicht denken, dass Ihr mich nicht verstanden habt.
    Es war deutlich genug. Selbst für einen Franzosen.»
    «Ich werde Euch keine weitere Rechenschaft über mein Tun ablegen, Sir», sagte der Sergeant.
    «Jetzt bleibt Euch nur noch Unverschämtheit», sagte Newton.
    «Kommt, Sir», sagte Rohan zu Mornay. «Lasst uns gehen, damit diese Gentlemen nicht noch so töricht sind, mich ins Gesicht einen Lügner zu

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