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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Hochzeiten etwas abflaute. Während ich die Gasse entlangging, öffneten mehrere Dirnen auf höchst unverfrorene Weise ihre Kleider und zeigten mir ihr Geschlechtsteil, als Aufforderung, mich ihres ranzig riechenden Fleisches zu bedienen. Ich habe mir noch nie etwas aus Drei-Penny-Stehpartien gemacht, nicht einmal, als ich noch knapper bei Kasse war, denn diese Sorte Dirne scheut sich oft nicht, einen auszurauben, während man gewissermaßen in der Falle steckt. Doch ich scherzte eine Weile mit den Huren, bis
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    mich eine von ihnen die gepflasterte Gasse hinunterwies, dorthin, wo neben einer lärmenden Schänke die schwarze Erkerfront eines Hauses aufragte, welches mit seinen hohen, durch allerlei obszöne Wandmalereien getrennten Fenstern wie eine riesige Laterne die ganze Gasse erhellte.
    Ich rang mit mir, ob ich eintreten sollte oder nicht, befand aber schließlich, dass es drinnen in jedem Fall sicherer wäre als draußen und klopfte an die Tür, in welcher wenige Sekunden später ein Gitter aufging und ein Frauenkopf erschien, um mich nach meinem Begehr zu fragen. Das war in London eine recht übliche Vorsichtsmaßnahme. Es war noch gar nicht lange her, dass im Zuge fastnächtlicher Ausschweifungen eine Horde Londoner Lehrburschen ein Hurenhaus mit Seilen niedergerissen und die wie Ratten herausströmenden Dirnen höchst brutal geprügelt hatte. Doch ich kannte den Codex sehr gut. Besser, als ich die Bedeutung des Urteils in irgendeiner Gerichtssache hätte darstellen können.
    «Ich habe gehört, Ihr lasst nur wenige Männer ein», sagte ich unterwürfig, denn manche dieser Londoner Weibsbilder haben eine reichlich hohe Meinung von sich und der Macht zwischen ihren Beinen. «Aber ich bin ein Gentleman und entrichte die Kosten im Voraus, wenn Ihr es wünscht.» Dabei zückte ich meinen Beutel und ließ die Münzen ostentativ klimpern.
    «Fünf Schillinge», sagte die Hure. «Dafür, dass Ihr tun könnt, was immer Ihr wollt.»
    Ich entrichtete meinen Obolus und wartete, dass die Dirne die Riegel zurückzog. Gleich darauf ging die Tür auf und in einem kleinen Entree empfing mich keine Geringere als Mrs. Marsh, die, wenn auch ganz präsentabel, so doch wie viele Frauen ihres Schlages höchst eigentümlich in ihren
    Konversationsgewohnheiten war. Nachdem sie mir aus dem Cape, welches sie Toga nannte, geholfen und mir den Hut, den sie als meine Stille bezeichnete, abgenommen hatte, zeigte sie auf mein Rapier.
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    «Den Stert lasst Ihr auch besser hier», sagte sie. «Und auch die beiden Keile.» Womit sie meine Pistolen meinte. «Sucht Ihr einen Fick, oder sucht Ihr den Kampf?»
    Nachdem ich sie der rein erotischen Natur meiner Absichten versichert hatte, fragte ich, ob mein Freund, Major Mornay, bereits im Hause sei.
    «Wenn Ihr den Offizier der Tower-Wache meint, ja. Nur dass wir ihn hier Monsieur Vogueavant nennen.»
    «Warum? Ist er der Mode so sehr voraus?»
    «Nein, es ist wegen seiner kleinen Vorliebe», sagte Mrs. Marsh.
    «Ich muss gestehen, ich wusste gar nicht, dass er eine hat», sagte ich.
    «Dann wisst Ihr aber wenig über Euren Freund.»
    «In England», sagte ich, «ist das die Art, sich Freundschaften zu erhalten.»
    «Das ist wahr», konzedierte sie.
    Ich folgte ihr durch den Salon, wo alle möglichen Sorten von Mädchen in allen möglichen Stadien der Entblößung saßen und lagen. Mrs. Marsh bot mir einen Stuhl an und holte mir ein Glas Bier. Doch als ich mich im Raum umsah, konnte ich den Major nirgends entdecken und fragte, wo er denn sei.
    «Oben, möchte ich wetten», sagte sie. «Seht Ihr etwas, was Euch reizt, mein Lieber?»
    Noch während sie sprach, brachte ein Diener eine große silberne Speisenplatte und stellte sie auf den Tisch und ein junges Mädchen legte sich, nachdem es sich gänzlich entkleidet hatte, darauf und begann, zu meiner Unterhaltung unzüchtige Posen einzunehmen. Das Leben hat wahrhaft seltsame Tricks auf Lager, welche es hervorholt, um uns zu verwirren. Wenn es denn so etwas wie einen Teufel gibt, dann weiß er mit unseren innersten Gedanken und Gefühlen zu spielen. Denn es ließ sich kaum übersehen, dass das Mädchen, welches die verderbten
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    Posen einnahm und mir ihre Arschrosette und das Innere ihres Geschlechtsteils zeigte, wie Miss Bartons Zwillingsschwester aussah und ich fand mich von ihrer Nacktheit zugleich abgestoßen und fasziniert. Das dort war das holde Mädchen, das ich liebte und war es doch nicht. Würde ich Miss Barton je wieder

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