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Nextopia

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Titel: Nextopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Micael Dahlén
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geringen Grad an Wertschätzung für das Medium auf. Dass Fernsehen depressiv macht, hat nichts mit der gängigen Überzeugung zu tun, es führe zur Verblödung (tatsächlich deuten Untersuchungen darauf hin, dass es eine positive Korrelation zwischen Fernsehen und dem IQ gibt) oder zur Vereinsamung (denn häufig wird gemeinsam mit anderen geschaut). Vielmehr liegt es daran, dass das Fernsehen die Megaschnellstraße des Glücks verkörpert.
    Bei einer Studie mit mehr als 42

000 Teilnehmern aus 22 Ländern während der Jahre 2002 bis 2003 stellte sich heraus, dass Fernsehkonsum die materiellen Ansprüche durchschnittlich um bis zu 0,22 Punkte steigerte. Das deutet darauf hin, dass Fernsehen an höhere materielle Standards gewöhnt, seien es Reiseziele oder Autos, Häuser, Arbeitsplätze oder Beziehungen. Das Fernsehen zeigt den Menschen die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und schraubt ihre Erwartungen in eine Höhe, auf der jede genutzte Chance etwas wirklich Außergewöhnliches sein muss, um glücklich zu machen. Ohne Raumschiff ist es praktisch unmöglich, mit dem rasanten Tempo auf der Megaschnellstraße des Glücks Schritt zu halten. Vielen gelingt es anscheinend nicht. Wie sich zeigt, führen die gesteigerten materiellen Ansprüche von Fernsehzuschauern tendenziell zu einem geringeren Grad an Lebenszufriedenheit. Im Durchschnitt mindert Fernsehen die Lebenszufriedenheit um 0,18 Punkte, was in Anbetracht ihrer zuvor bewiesenen Stabilität eine ganze Menge ist. Fernsehsendungen eilen neuen Entdeckungen und Möglichkeiten entgegen und erhöhen damit den Grad an Wert und Extravaganz, den wir brauchen, um auf der Megaschnellstraße bleiben zu können. Und das in so hohem Maße, dass sogar unsere finanzielle Zufriedenheit sinkt, was man angesichts einer Verfünffachung des verfügbaren Einkommens für unmöglich halten sollte.
    Vielleicht ist das Fernsehen das »Missing Link«, das die 400 reichsten Amerikaner auf eine Stufe mit den afrikanischen Massai stellt? Während die Letzteren noch nicht über das BIP und das Einkommen hinaus sind, bei dem Geld keinen positiven Einfluss mehr auf die Lebenszufriedenheit hat (und daher in der Lage sein sollten, die Leiter weiter hinaufzusteigen), haben die Ersteren Fernsehen …
    Die Massai haben auch keinen nennenswerten Zugang zum Internet, und vielleicht ist das ebenfalls etwas Gutes. Als das Internet Mitte der Neunziger an Beliebtheit gewann, wurde es als »Information Super Highway« gepriesen, das Tor zu sämtlichen Informationen der Welt. Heute ist es maßgeblich verantwortlich für die Welt der beliebigen Verfügbarkeit, in der wir leben und in der alles überall jederzeit zu haben ist. Eine Studie an rund 4500 Kanadiern im Jahr 2005 zeigte ähnliche Tendenzen wie die weltweite Erforschung des Fernsehkonsums: Der selbst berichtete Zufriedenheitsgrad von Menschen, die sich im oberen Drittel der Internetnutzungsskala bewegten, lag im Durchschnitt rund 20 Prozent niedriger als bei jenen, die das Internet weniger häufig oder gar nicht nutzten.
    Bemerkenswert ist, dass die negativen Auswirkungen des Fernsehens auf die Lebenszufriedenheit und die materiellen Wünsche bei einem täglichen TV-Konsum von 2,5 Stunden ihren Höhepunkt erreichten. Darüber hinaus bleiben sie konstant. Man sollte dies vor dem Hintergrund der Tatsache betrachten, dass der durchschnittliche Europäer im Jahr 2005 täglich 226 Minuten lang fernsah, das entspricht 3 Stunden und 46 Minuten. Der durchschnittliche Amerikaner sah noch eine Stunde länger fern. Interessanterweise stieg die wöchentliche Freizeit zwischen 1965 und 1995 um 6,2 Stunden, während die Fernsehzeit sich um knapp 6 Stunden verlängerte.
    Die Nutzung des Internets steigt in noch viel größerer Geschwindigkeit; bis jetzt hat sie sich alle drei Jahre mehr als verdoppelt. Die Megaschnellstraße des Glücks verschmilzt mehr und mehr mit der Megaschnellstraße der Informationen. Und alles zusammen dauert täglich eine Stunde. Das war der Grenzwert, den die starken Internetnutzer in der kanadischen Studie überschritten; der Grenzwert, oberhalb dessen Internet-User um 20 Prozent weniger glücklich mit ihrem Leben waren.
    Im Netz ist alles schnell und heftig, die Realität kann sich innerhalb einer Stunde verändern. Mit der ganzen Welt vernetzt zu sein, wann immer man will (also eigentlich ständig), ist für die meisten Menschen Alltag. In der Welt beliebiger Verfügbarkeit braucht man ein Raumschiff, um mit der

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