Nextopia
Art von Stress, wie wir sie nie zuvor erlebt haben. Niemals zuvor fühlten Menschen sich veranlasst, Millionen von Leuten aus aller Welt etwas bieten zu müssen. Niemals zuvor hatten die Menschen so viele Optionen und so viele selbst auferlegte Verpflichtungen.
Andererseits befreit uns die Erwartungsgesellschaft weitgehend von einer anderen Form des Drucks, welche uns während der vorangegangenen Jahrhunderte geplagt hat – dem Druck dessen, was wir bisher erreicht oder noch nicht erreicht haben. In der Erwartungsgesellschaft hat die Vergangenheit nur eine geringe Bedeutung, und Grübler stehen kurz vor dem Aussterben. Die Redensart »Es ist nie zu spät, einen ersten Eindruck zu hinterlassen« verwandelt sich in »Es ist nie zu spät, den nächsten Eindruck zu hinterlassen«. In der Erwartungsgesellschaft gibt es kein Ende und keine Fristen.
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Twittern oder nicht
Im Frühjahr 2009 postete der amerikanische Musiker und ehemalige Modedesigner Kanye West verärgert in seinem Blog: »ICH TWITTERE NICHT.« Der Grund dafür war, dass verschiedene Personen sich bei Twitter für den Star ausgegeben hatten. Als Erklärung dafür, warum er nicht twittert, schrieb Kanye, dass er mit kreativer Arbeit beschäftigt sei, über die er in seinem Blog schreiben werde. Würde er twittern, so hätte er keine Zeit für seine Nextopia-Reality-Show. Kanyes Rivale 50 Cent löste das Dilemma auf andere Weise: Er beschäftigte zwei Ghostwriter, um in seinem Namen zu schreiben.
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Es hängt nicht alles an Zahlen
DIE GESELLSCHAFT UND UNSER LEBEN WURDEN IMMER SCHON VON ZAHLEN ODER VERFALLSDATEN GEPRÄGT. Vor 20 Jahren lag die durchschnittliche Lebenserwartung in Großbritannien bei 75 Jahren. Heute sind 75-jährige Briten noch quicklebendig und sehen fünf bis sechs weiteren aktiven Jahren entgegen. Genau wie alle anderen Mitglieder der weltweiten Erwartungsgesellschaft machen sie sich nichts aus alten Zahlen oder Verfallsdaten.
Früher ging man davon aus, dass die Kreativität im Alter von 27 Jahren erlosch. Einstein hatte in diesem Alter seine bahnbrechende Arbeit erledigt, die Musiker Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison und Kurt Cobain, die erheblichen Einfluss auf die Welt- und Popkultur ausgeübt hatten, starben mit 27, der Schauspieler James Dean, ein Revolutionär der Filmbranche, hatte seine Arbeit und sein Leben sogar schon drei Jahre früher zum Abschluss gebracht. Man sagt, dass der Mensch jenseits von 27 Jahren keine großen Entdeckungen oder Durchbrüche mehr macht, sei es in der Mathematik, in der Physik, in der Wirtschaft, im Geschäftsleben, in Musik oder Kunst. In der Erwartungsgesellschaft sind solche überkommenen Vorstellungen nicht mehr zutreffend.
2005 entwickelte und verkaufte der 39-jährige Nicklas Zennström die Telefonie-Revolution Skype und verdiente mit seiner Schöpfung über 3 Milliarden Dollar. Im darauffolgenden Jahr ernannte das Time Magazine den 40-Jährigen zu einem der einflussreichsten Männer der Welt.
Im Alter von 34 Jahren revolutionierte Richard Branson die Luftfahrtbranche, als er mit Virgin Air an den Markt ging, wechselte dann mit 49 Jahren in den Bereich der Mobiltelefonie und stellte schließlich mit 54 Jahren das Universum auf den Kopf, indem er Virgin Galactic gründete und damit die Auswahl potenzieller Urlaubsziele radikal veränderte.
Mit 57 Jahren brachte Bruce Springsteen im Rahmen seiner »Seeger-Sessions«-Tournee von 2006 und 2007 den Folk in die Rockstadien. Bands wie die Rolling Stones und Kiss stellen, stramm auf die 70 zugehend oder älter, neue Stadionrekorde auf und verkaufen ihre neuen Alben millionenfach.
In der Welt beliebiger Verfügbarkeit und durch die Nextopia-Verwandlung von alt in jung gibt es keinen Grund, sich zurückzulehnen und zu genießen, was man in der Vergangenheit erreicht hat. Mit 27 hat man die beste Arbeit noch vor sich. Und das nicht nur aus freiem Willen, sondern weil es so sein muss. Früher einmal verschaffte eine große Errungenschaft den Menschen einen Ruf, der sie ihr Leben lang begleitete. In der Erwartungsgesellschaft dagegen ist es Ihre Zukunft, auf die es ankommt, und nicht Ihre Vergangenheit.
Demnächst: Ewige Jugend!
ES IST EIGENTLICH NIE ZU SPÄT, ERFOLGREICH ZU WERDEN – mit irgendetwas. Zum Beispiel eine glückliche Kindheit. Klettern Sie einfach am Anfangspunkt des V hoch und erfreuen Sie sich an glücklichen Erinnerungen aus Ihren Kindertagen. Oder aus Ihrer Jugend. Oder noch besser, gehen Sie voran und erleben Sie Ihre
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