Nexus - Band 1
der Kantine erst mit jedem einzelnen seiner blinzelnden Wimpernschläge zunehmend ihren Kontrast gewannen. Es war dieselbe, vollständig in nachtschwarzes Material gehüllte Gestalt jener Frau, die Tom kaum glauben konnte kurz zuvor mit so selbstverständlicher Gleichgültigkeit beinahe vollständig übersehen zu haben. Denn zu sehr hingen seine Augen nun wie automatisch magnetisiert an dieser lebendig gewordenen Verkörperung eines statuengleichen Idealbildes weiblicher Vollkommenheit, wanderten über jede einzelne Kontur ihrer mesmerisierenden Erscheinung, deren Faszination noch nicht einmal der graue, blutfleckige Verband zu trüben vermochte, dessen Binden sich schräg über die rechte Hälfte ihres ansonsten makellos geschnittenen, von seidig fließend langem, dunklem Haar umrahmten Hauptes erstreckten.
"Was hast du denn die ganze Zeit da drüben getrieben?" Stingers Ausdruck gewann mit jedem seiner Worte mehr und mehr die anschwellend-aggressive Schärfe eines Bluthundes, der dabei war sich in seine hilflose Beute zu verbeißen - und einmal mehr erschien es Tom, als hätte der Dämon, den sein alter Freund bisher so gekonnt in seinem Inneren versteckt hatte, just in diesem Moment noch ein kleines Stück mehr seiner schwindenden Menschlichkeit mit blutiger Klaue aus Sam Nevalles vernarbtem Herzen gerissen. "Nun gib schon her das verfluchte Zeug. Na los! Du nutzloses…"
Unbewegt, stumm und ohne Regung strich das wache Licht ihres einzelnen, obsidianfarbenen Auges über Toms Gesicht, wanderte hinüber zu Stinger wo es schließlich hängen blieb. Ein kaum merkliches Nicken begleitete die mechanischen Bewegungen ihres linken Armes, dessen Hand mit zügiger Gehorsamkeit ein Glas nach dem anderen von einem kleinen, mühelos balancierten Tablett gemeinsam mit einer dazugehörigen Flasche auf die Oberfläche des Tisches wandern ließ.
Tom ergriff sein Glas, und brachte sogar so etwas wie den Ansatz eines dankbaren Lächelns zustande, doch erkannte er schnell, dass es lange zu spät war, das sadistisch brennende Feuer in Stingers zu reptiloiden Schlitzen verengten Augen noch einzudämmen. Lichtschnell, hart und zielsicher sprang seine Hand unter dem Tisch hervor und packte das sich zurückziehende Handgelenk seines überrumpelten Opfers, stoppte die Drehung ihres Körpers mit einem abrupten Reflex.
"Na, na... wohin denn so eilig, Falcon meine Liebe?" grinste er, seine Mundwinkel urplötzlich verzogen zu einem bösartig-belustigten Grinsen.
Für eine Sekunde bohrte sich Falcons Blick ihres gesunden Auges in das Gesicht ihres Peinigers, und Tom gewahrte kalten Hass in ihren noch immer regungslos schweigenden Zügen, eine eisige Lanze aus tödlicher Vergeltung, geformt und getrieben von den rastlosen Rachegeistern unzähliger vergangener Alpträume… und doch schien jeder von ihnen gleichzeitig vor Schmerz zu schreien, ein Chor des Leides, dessen Stärke binnen nur weniger Herzschläge verging… zu einem Wimmern verkam und schließlich verstummte - Platz machte für das gewohnte Martyrium gehorsamer, unterwürfiger Ergebenheit.
"Willst du dich unserem Gast nicht vorstellen?"
Falcons sich windender Arm erschlaffte, zog sich widerstandslos aus Stingers nachlassendem Griff zurück. Und obwohl sich an ihr noch immer keine erkennbare Miene regte, schillerte doch ein Meer aus Trauer und Resignation unter ihrem gesenkten Lid hervor, spiegelte eine Vielfalt der unterschiedlichsten Emotionen direkt in den Kern von Tom Parkers Herzen, als sie ihr Haupt lautlos und langsam in seine Richtung neigte.
Tom erwiderte ihre Geste mit dem Ansatz eines respektvollen Nickens, während er gleichzeitig hoffte, dass sein deutlicher Blick in Stingers Richtung Signal genug sein würde, um dieses perfide kleine Spiel zu beenden, noch bevor es richtig beginnen konnte. Nur zu gerne hätte er ein deutlicheres Wort zugunsten dieser zweifellos schon seit langer Zeit versklavten, armen Seele gesprochen - aber mehr konnte er zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht riskieren. Unmissverständlich genug hatte ihm diese Gelegenheit schließlich ein weiteres Mal deutlich gezeigt, wie unberechenbar und zerstörerisch das Chaos im Geist seines einstigen Kameradens wütete.
"Was habe ich auch erwartet." Stingers Kopf schüttelte sich in offen resignierter Enttäuschung und gespieltem Mitleid. Glücklicherweise schienen ihm die Früchte seiner eigenen, boshaften Saat, wohl auch zu einem großen Teil auf Grund von Toms Weigerung sich an ihrer reichlichen
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