Nexus
Wohnung mit ihrer Gemütlichkeit und das Gefühl, daheim zu sein.
Jedenfalls sagte ich, als sie den Tisch abdeckte: «Wenn man nur schreiben könnte, wie man spricht... schreiben wie Gorki, Gogol oder Knut Hamsun.»
Sie warf mir einen Blick zu, wie eine Mutter ihn für ein Kind hat, das sie auf dem Arm trägt.
«Warum solltest du schreiben wie sie?» sagte sie. «Schreibe, wie du bist, das ist viel besser.»
«Ich wünschte, ich dächte auch so. Weißt du, wie es mit mir steht? Ich bin ein Chamäleon. Ich möchte jeden Schriftsteller nachahmen, der mir gefällt. Wenn ich nur mich selbst nachahmen könnte!»
«Wann wirst du mir ein paar Seiten zeigen?» fragte sie. «Ich möchte sehr gern sehen, was du bis jetzt zustande gebracht hast.»
«Bald», sagte ich.
«Bezieht es sich auf uns?»
«Ich nehme an. Worüber könnte ich sonst schreiben?»
«Über alles, Val.»
«Das meinst du . Es scheint, als sähest du meine Beschränkung nie. Du weißt nicht, was für einen Kampf ich durchmache. Manchmal ist mir zumute wie einem geschlagenen Hund. Manchmal frage ich mich, wie ich nur dazu gekommen bin, mich für einen Schriftsteller zu halten. Und doch schrieb ich erst vor ein paar Minuten wie ein Verrückter. Im Kopf natürlich. Aber sobald ich mich an die Maschine setze, werde ich ein Erdklumpen. Das lähmt mich. Das macht mich fertig. Weißt du, daß Gogol am Ende seines Lebens nach Palästina ging? Ein sonderbarer Kerl, dieser Gogol. Stell dir vor, daß so ein eingefleischter Russe in Rom stirbt! Möchte wissen, wo ich mal sterbe.»
«Was ist mit dir, Val? Wovon redest du denn da? Du hast noch achtzig Jahre zu leben. Schreib! Rede nicht vom Sterben.»
Ich fühlte, ich war es ihr schuldig, ihr etwas von dem Roman zu erzählen. «Rate, wie ich in dem Buch heiße», sagte ich. Sie konnte es nicht raten. «Ich habe den Namen deines Onkels gewählt, desjenigen, der in Wien lebt. Hast du mir nicht erzählt, daß er bei den Husaren gedient hat? Ich kann ihn mir nicht so recht als Oberst eines Totenkopfregiments vorstellen. Und als Jude. Aber er gefällt mir. Alles, was du mir von ihm erzählt hast, gefällt mir. Darum wählte ich seinen Namen .. .»
Pause.
«Am liebsten möchte ich durch diesen verdammten Roman wie ein betrunkener Kosak stürmen — nur könnte das Pap nicht angenehm sein. Rußland, Rußland, wohin gehst du? Vorwärts, vorwärts! Wie der Wirbelwind! Ich kann nur ich selbst sein, wenn ich alles zertrümmere. Ich werde nie ein Buch nach dem Geschmack der Verleger schreiben. Ich habe schon zu viele Bücher geschrieben. Schlafwandelnde Bücher. Du weißt, was ich meine. Millionen und aber Millionen Worte - alles im Kopf. Sie klimpern mir im Schädel wie Goldstücke. Ich habe es satt, Goldstücke zu machen. Ich habe diese Kavallerieangriffe im Dunkeln über. Jedes Wort, das ich jetzt schreibe, muß ein Pfeil sein, der direkt ins Ziel geht. Ein vergifteter Pfeil. Ich will Bücher, Schriftsteller, Verleger, Leser von mir abschütteln. Für das Publikum zu schreiben, hat für mich keinen Reiz. Ich möchte für Verrückte schreiben oder für Engel.»
Ich machte eine Pause, und mit dem Gedanken, der mir in den Kopf gekommen war, kam ein sonderbares Lächeln auf mein Gesicht.
«Ich möchte wissen, was unsere Wirtin denken würde, wenn sie mich so reden hörte. Sie ist zu gut zu uns, meinst du nicht? Sie kennt uns nicht. Sie würde nie glauben, was für ein wandelndes Pogrom ich bin. Auch hat sie keine Ahnung, warum ich so für Sirota und diese verdammte Synagogenmusik schwärme.» Ich brach plötzlich ab. «Was zum Teufel hat übrigens Sirota damit zu tun?»
«Ja, Val, du bist jetzt in der richtigen Stimmung. Übertrage sie auf das Buch. Verschwende die Zeit nicht mit Reden!»
13
Manchmal saß ich stundenlang an der Maschine, ohne eine Zeile zu schreiben. Von einer oft unerheblichen Idee angefeuert, gingen mir die Gedanken zu schnell, um sie zu Papier zu bringen. Ich wurde im Galopp davongetragen wie ein an seinen Streitwagen gebundener geschlagener Krieger.
An die Wand zu meiner Rechten waren alle möglichen Denkzettel geheftet: eine Liste von Wörtern, die mich bezauberten und die ich, wenn nötig, beim Schopf mit hereinziehen wollte; Reproduktionen der Bilder von Malern wie Uccello, della Francesca, Breughel, Giotto, Memling; Titel von Büchern, aus denen ich Stellen anführen wollte, Ausdrücke, die ich meinen Lieblingsschriftstellern wegstibitzt hatte, nicht um sie zu zitieren, sondern sie sollten mich
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