Nexus
. . . oder zusammengekommen sei?»
«Richtig. Wie doch alle Juden gern Geige spielen!»
«Er glaubt anscheinend doch, du hast einen Tropfen jüdischen Blutes in dir, Val.»
«Das kann möglich sein. Ich würde mich jedenfalls nicht deswegen schämen, wenn es so wäre.»
Ein peinliches Schweigen folgte.
«Ich habe das nicht so gemeint, wie du es aufgefaßt hast», sagte ich schließlich.
«Das weiß ich», erwiderte sie. «Schon recht.»
«Sie können auch alle Schach spielen.» Ich sprach mehr mit mir selbst. «Und sie machen alle gern Geschenke, ist dir das schon aufgefallen?»
«Könnten wir nicht über etwas anderes reden?»
«Natürlich! Natürlich können wir das. Entschuldige. Sie bringen mich in Wallung. Wenn ich auf einen richtigen Juden stoße, fühle ich mich daheim. Warum, weiß ich nicht.»
«Weil sie etwas Warmes und Großzügiges an sich haben — wie du.»
«Ich denke, weil sie ein altes Volk sind.»
«Du bist für eine andere Welt geschaffen, nicht für Amerika, Val. Du kommst wunderbar mit allen Leuten aus, nur mit deinen eigenen nicht. Du gehörst nicht zu ihnen.»
«Und dul Du gehörst auch nicht hierher.»
«Ich weiß. Nun, sieh zu, daß der Roman fertig wird, dann werden wir abrücken. Wohin du mich führst, ist mir gleich, aber zuerst mußt du Paris sehen.»
«Gut. Aber ich möchte auch andere Städte sehen . . . Rom, Budapest, Madrid, Wien, Konstantinopel. Ich möchte auch eines Tages deine Bukowina besuchen. Und Rußland - Moskau, Petersburg, Nischni-Nowgorod. Ah, den Newski-Prospekt entlanggehen. . . auf Dostojewskis Spuren! Was für ein Traum!»
«Das wäre alles möglich, Val. Es gibt keinen Grund, warum wir nicht hingehen können, wohin wir wollen . . . überall in der Welt.»
«Glaubst du das wirklich?»
«Ich weiß das.» Dann sagte sie impulsiv: «Ich möchte nur wissen, wo Stasia jetzt ist.»
«Weißt du das nicht?»
«Natürlich nicht. Seitdem ich hier bin, habe ich noch keine Zeile von ihr bekommen. Ich habe das Gefühl, daß ich nie mehr etwas von ihr höre.»
«Unsinn. Eines Tages steht sie vor der Tür - du wirst schon sehen.»
«Drüben war sie anders.»
«Wie meinst du das?»
«Das kann ich nicht genau sagen. Einfach anders. Normaler vielleicht. Gewisse Männertypen schienen sie anzuziehen. Wie der Österreicher, von dem ich dir erzählt habe. Sie hielt ihn für so vornehm, so überlegen und so verständnisvoll.»
«Meinst du, es war etwas zwischen ihnen?»
«Wer weiß? Sie waren ständig beisammen, als ob sie bis über beide Ohren verliebt wären.»
«Als ob, sagst du. Was soll das heißen?»
Sie zögerte, dann sagte sie heftig, als spüre sie noch den Schmerz: «Keine richtige Frau könnte auf so einen Kerl hereinfallen. Er kroch vor ihr, er aß ihr aus der Hand, und das gefiel ihr. Vielleicht fühlte sie sich dadurch weiblicher...»
«Das klingt gar nicht nach Stasia. Du glaubst doch wohl nicht, daß sie sich wirklich verändert hat?»
«Ich weiß nicht, was ich denken soll, Val. Das alles macht mich traurig, Val. Ich habe das Gefühl, ich habe eine gute Freundin verloren.»
«Unsinn! So leicht verliert man keine Freundin.»
«Sie sagt, ich sei zu besitzwütig, zu . . .»
«Vielleicht warst du es . . . bei ihr.»
«Niemand verstand sie besser als ich. Ich wollte sie ja nur glücklich sehen. Glücklich und frei.»
«Das sagt jeder Verliebte.»
«Es war mehr als Liebe, Val, viel mehr.»
«Wie kann etwas mehr sein als Liebe? Liebe ist alles — oder nicht?»
«Vielleicht gibt es bei Frauen noch etwas anderes. Männer sind zu plump, um das zu begreifen.»
Ich fürchtete, die Unterhaltung könnte zu einem Streit ausarten, und wechselte daher so geschickt wie möglich das Thema.
Schließlich behauptete ich, ich hätte großen Hunger. Zu meiner Überraschung sagte sie: «Ich auch.»
Wir gingen nach Hause. Nach einem guten Imbiß - Gänseleberpastete, kalter Truthahn und Kohlsalat, heruntergespült mit spritzigem Mosel — hatte ich das Gefühl, ich könnte mich an die Maschine setzen und schreiben. Vielleicht war es die angeregte Unterhaltung, die Aussicht, auf Reisen zu gehen, fremde Städte zu besuchen — die Erwartung eines neuen Lebens. Oder es kam von der Genugtuung, daß unser Spaziergang nicht mit einem Streit geendet hatte. (Stasia war immer ein delikates Gesprächsthema.) Womöglich hatte ich es auch Sid Essen, dem Juden, und den durch ihn geweckten rassischen Erinnerungen zu verdanken. Oder es war nichts anderes als unsere hübsche
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