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Nexus

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Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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nicht der Mann, der arme Verwandte beschenkte. Er habe jedoch auf ihr Zureden immer reichlich Geld gegeben, wenn sie einen notleidenden Künstler getroffen hätten.
    «Gut. Hast du übrigens irgendwelche Berühmtheiten aus der Welt der Kunst kennengelernt? Picasso zum Beispiel oder Matisse?»
    «Als ersten habe ich den Bildhauer Zadkine kennengelernt.»
    «Nein. Wirklich?»
    «Und dann Edgar Varese.»
    «Wer ist das?»
    «Ein Komponist. Ein wunderbarer Mensch, Val. Du würdest ihn anbeten.»
    «Sonst noch jemand?»
    «Marcel Duchamp. Wer der ist, weißt du natürlich.»
    «Das möchte ich meinen. Wie war er - ich meine als Mensch?»
    «Der kultivierteste Mensch, dem ich je begegnet bin», antwortete sie sogleich.
    «Das heißt allerhand.»
    «Ich weiß, Val, aber es ist die Wahrheit.» Sie erzählte noch von anderen, deren Bekanntschaft sie gemacht hatte, von Künstlern, von denen ich noch nie gehört hatte .. . Hans Reichel, Tihanyi, Michonze, alles Maler. Als sie von Wien sprach, merkte ich mir das Hotel, in dem sie gewohnt hatte - Hotel Müller, am Graben. Wenn ich mal nach Wien käme, wollte ich im Fremdenbuch nachsehen, unter welchem Namen sie sich eingetragen hatte.
    «Napoleons Grab hast du wohl nicht besucht?»
    «Nein, aber wir waren in Malmaison, und beinahe hätte ich einer Hinrichtung beigewohnt.»
    «Da hast du nicht viel versäumt.»
    Wie schade, dachte ich, während sie plauderte, daß wir uns so selten auf diese Weise unterhalten konnten. Was ich besonders an diesen Zwiegesprächen liebte, war das Abgebrochene, Kaleidoskopartige. In den Pausen zwischen den Bemerkungen gab ich im Geist ganz andere Antworten als mit den Lippen. Die Atmosphäre des Zimmers, die herumliegenden Bücher, das Summen einer Fliege, Monas Körper in seinen verschiedenen Stellungen, die bequeme Lage auf der Couch vermehrten natürlich den Reiz solcher Gespräche. Es braucht nichts bewiesen, zurechtgerückt oder verteidigt zu werden. Wenn eine Wand abbröckelte, sollte sie nur ruhig abbröckeln. Gedanken flogen wie Zweige, die vom Wind in einen murmelnden Bach geweht werden. Rußland, raucht der Boden noch unter deinen Rädern? Donnern die Brücken, wenn man hinüberstürmt? Antworten? Was braucht es Antworten? Ah, ihr Pferde! Was für Pferde! Warum habt ihr Schaum vorm Maul?
    Als ich mich fertig machte, um ins Bett zu steigen, erinnerte ich mich plötzlich, daß ich am Morgen Mac Gregor gesehen hatte. Ich erwähnte das, als sie über mich weg unter die Decken kroch.
    «Hoffentlich hast du ihm nicht unsere Adresse gesagt.»
    «Wir haben nicht miteinander gesprochen. Mich hat er nicht gesehen.»
    «Gut», sagte sie und legte die Hand um meinen Schwengel.
    «Was ist gut?»
    «Daß er dich nicht gesehen hat.»
    «Ich dachte, du meintest etwas anderes.»
    Wenn ich ausging, um frische Luft zu schöpfen, schaute ich oft für einen kleinen Plausch zu Sid Essen hinein. Nur einmal sah ich einen Kunden den Laden betreten. Winter wie Sommer war es drinnen dunkel und kühl — gerade die richtige Temperatur, um die Knochen steifzuhalten. Die zwei Schaufenster waren mit Hemden vollgestopft, sie waren von der Sonne gebleicht und mit Fliegendreck übersät.
    Er war gewöhnlich hinten im Laden und las unter einer trüben elektrischen Birne. Sie baumelte an einer langen Schnur von der Decke herab, und an der Schnur hingen Streifen klebrigen Fliegenpapiers. Er hatte sich einen bequemen Sitz geschaffen, indem er einen gepolsterten Autositz auf zwei Kisten montiert hatte. Neben den Kisten stand ein Spucknapf, den er benutzte, wenn er Tabak kaute. Gewöhnlich hatte er eine schmutzige Pfeife zwischen den Zähnen, manchmal auch eine Brasilzigarre. Die große schwere Mütze nahm er nur ab, wenn er zu Bett ging. Sein Rockkragen war immer weiß von Kopfschuppen, und wenn er sich die Nase putzte, was oft und immer mit elefantenartigem Trompeten geschah, benutzte er ein blaues baumwollenes, wohl einen Meter langes Taschentuch.
    Auf dem Ladentisch in der Nähe lagen Bücher, Zeitschriften und Zeitungen in Stößen. Je nach der Stimmung griff er zu den einen oder zu den anderen. Neben diesem Lesematerial stand immer eine Schachtel mit zerkleinerten Erdnüssen, in die er griff, wenn er in Aufregung geriet. Sein Körperumfang sagte mir, daß er ein herzhafter Esser sei. Mehrmals lobte er mir die Kochkünste seiner Frau. Soweit ich das herausbekommen konnte, war dies ihre anziehendste Seite. Er rühmte bei solchen Gelegenheiten jedoch auch immer ihre

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