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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Gute, was mir je geschehen war, kam nun an die Oberfläche. Es drängte mich, dies und jenes niederzuschreiben, ihm oder ihr für alles Gute, das sie mir erwiesen hatten, zu danken. Warum nicht? Es gab auch Orte, denen ich meinen Dank abzustatten hatte, weil sie mir so selige Augenblicke bereitet hatten. Dies alles machte mir so kindische Freude, daß ich eines Tages zum Madison Square Garden fuhr, um eine schweigende Danksagung an die Wände zu richten wegen der herrlichen Stunden, die ich dort einst verbracht hatte, als ich Buffalo Bill und seine Pawnee-Indianer mit ihrem Kriegsgeschrei bewunderte oder zuschaute, wie Jim Londos, der kleine Herkules, einen riesenhaften Polen über die Schulter schwenkte, oder auch wegen des Sechstagerennens und der unglaublichen Kunststücke und der wagemutigen Leistungen, die ich dort gesehen hatte.
    Bei dieser hochgemuten Stimmung, in der mir der Himmel offenstand, war es wahrlich kein Wunder, daß Mrs. Skolsky, wenn ich ihr beim Ausgehen oder beim Heimkehren begegnete, stehenblieb und mich mit großen, runden Augen ansah. Auch ich blieb stehen und wünschte ihr guten Tag. Das dauerte manchmal eine halbe oder dreiviertel Stunde, und in dieser Zeit sprach ich von allem und jedem, was mir in den Sinn kam — von Büchern, Straßen mit ausländischen Namen, Träumen, Brieftauben und Schleppdampfern, und alles sprudelte auf einmal heraus, weil ich glücklich, entspannt, ohne Sorgen und bei bester Gesundheit war. Obgleich ich nie eine falsche Bewegung machte, wußte ich und wußte auch sie, daß ich sie eigentlich hätte umarmen, küssen, an mich drücken und sie als Weib, nicht als Wirtin behandeln sollen. «Ja», sagte sie, aber mit ihren Brüsten. «Ja», mit ihrem warmen weichen Bauch. «Ja, immer Ja.» Hätte ich gesagt: «Heben Sie den Rock hoch und zeigen Sie mir Ihr Kätzchen!», hätte sie auch ja gesagt. Aber ich hatte so viel Verstand, daß ich diesen Unsinn unterließ. Ich begnügte mich, das zu bleiben, was ich allem Anschein nach war: ein höflicher, mitteilsamer und (für einen Goi) etwas ungewöhnlicher Mieter. Sie hätte mit einer Schüssel in schwarzem Bratensaft schlummernder Kartoffelklöße vor mir erscheinen können, ich hätte sie nicht angerührt.
    Nein, ich war viel zu glücklieb, viel zu zufrieden, um an Gelegenheitsficks zu denken. Wie gesagt, das einzige, was mir wirklich fehlte, war ein Fahrrad. Rebs Auto, das ich nach seinen Worten als mein eigenes betrachten sollte, bedeutete mir nichts. Ebensowenig wie eine Limousine mit einem Chauffeur, der mich umherfahren könnte. Nicht einmal eine Europareise konnte mir jetzt den Mund wässerig machen. Augenblicklich hatte ich Europa nicht nötig. Es war ganz nett, davon zu träumen, davon zu sprechen und sie in Gedanken zu genießen. Aber am schönsten war es jetzt dort, wo ich war. Jeden Tag an der Maschine zu sitzen und ein paar Seiten herunterzutippen, die Bücher zu lesen, die ich gern lesen wollte, die Musik zu hören, die mich begeisterte, einen Spaziergang zu machen, ein Variete zu besuchen, eine Zigarre zu rauchen, wenn ich Lust hatte - was konnte ich mehr verlangen? Ich brauchte mich nicht mehr wegen Stasia herumzustreiten, nicht mehr auf der Lauer zu liegen und zu spionieren, die Nächte nicht mehr aufzusitzen und zu warten. Alles war so, wie es sein sollte, Mona eingeschlossen. Ich konnte sogar mit Zuversicht dem Augenblick entgegensehen, wo sie mir von ihrer Kindheit erzählen würde, diesem zwischen uns liegenden Niemandsland. Wenn sie mit vollen Armen, mit rosigen Wangen und blitzenden Augen heimkam - was bedeutete es da, woher sie kam, und wie sie den Tag verbracht hatte? Sie war glücklich, und ich war es auch. Selbst die Vögel im Garten nahmen an diesem Zustand teil. Den ganzen Tag sangen sie, und wenn der Abend kam, richteten sie ihre Schnäbel auf uns und sagten in ihrer Piep-Piep-Sprache: «Seht, da ist ein glückliches Paar. Wir wollen ihnen noch ein Liedchen singen, bevor wir schlafen gehen.»
    Schließlich kam der Tag, wo ich mit Mona eine Autofahrt machen sollte. Nach Rebs Meinung konnte ich den Wagen allein lenken. Eine Probefahrt bestehen oder seine Frau veranlassen, ihr Leben in deine Hand zu geben, sind jedoch zweierlei. Es machte mich schon nervös, rückwärts aus der Garage zu fahren. Das verdammte Ding war zu groß, zu sperrig, es hatte zuviel Kraft. Ich schwitzte vor Angst, es könnte mit uns davonlaufen. Wenn ich ein paar Kilometer gefahren war, hielt ich wieder - aber immer dort,

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