Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
Vom Netzwerk:
entlassenen Sträflinge. Wir wollen stolz auf unsere Boten sein.»
    «Jawohl, Sir\»
    «Was ich noch sagen wollte: sorgen Sie dafür, daß alle Neger entlassen werden. Unsere Kunden könnten Angstzustände bekommen, wenn die Depeschen von Negern abgeliefert werden.»
    «Jawohl, Sir\»
    Ich ging auf mein Büro zurück, wirbelte eine Wolke Staub auf, zeigte mich Wunders wie geschäftig, entließ aber keinen, und wenn er so schwarz war wie Pique-As.
    Wie habe ich es nur fertiggebracht, sie nicht im Botenverzeichnis anzuführen, alle diese Fälle von Dementia praecox, diese Vagabunden, diese diamantharten Logiker, diese Invaliden, Epileptiker, Diebe, Zuhälter, Huren, entlaufenen Priester und die eifrigen Leser des Talmud, der Kabbala und der Heiligen Schriften des Ostens? Was hatten die in einem Roman zu suchen! Wie wenn man über solche Dinge, solche Musterexemplare in einem Roman schreiben könnte! Wo sollte man in einem solchen Buch das Herz unterbringen, die Leber, den Sehnerv, die Bauchspeicheldrüse oder die Gallenblase? Sie waren keine Ausgeburten der Phantasie, sondern wirkliche lebendige Menschen, die, obwohl von allerlei Krankheiten befallen, jeden Tag aßen und tranken, Wasser ließen, ihren Darm entleerten, Unzucht trieben, raubten, mordeten, falsches Zeugnis ablegten, ihre Mitmenschen verrieten, ihre Kinder zur Arbeit, ihre Schwestern auf den Strich, ihre Mütter zum Betteln und ihre Väter zum Hausieren schickten, daß sie nicht nur Schuhbänder und Kragenknöpfe verkauften, sondern auch Zigarettenenden, alte Zeitungen und ein paar Kupfermünzen heimbrachten, die sie der Blechbüchse eines blinden Mannes entnommen hatten. Haben solche Vorgänge in einem Roman Platz?
    Ja, es war schön, an einem Abend, wenn es schneite, aus einem Konzertsaal zu kommen, wo man das Kleine Symphonieorchester gehört hatte. So gesittet ging es da drinnen zu, so diskret war der Beifall, so sachkundig waren die Bemerkungen! Und dann das Glitzern des Schnees, die an- und wegfahrenden Autos, die wie Eiszapfen funkelnden Lichter. Und dann schleicht sich Monsieur Barrere und seine kleine Gruppe aus dem hinteren Ausgang, um eine Privatvorstellung im Hause eines reichen Bürgers in der Park Avenue zu geben. Tausend Pfade führten von der Konzerthalle weg, und auf jedem ging eine tragische Gestalt schweigend ihren Schicksalsweg. Pfade, die sich überall kreuzen: der der Elenden und der Mächtigen, der Sanftmütigen und der Herrschsüchtigen, der Reichen und der Habenichtse.
    Ja, manchen Abend wohnte ich einem Konzert in einer dieser musikalischen Leichenhallen bei, und jedesmal, wenn ich herauskam, dachte ich nicht an die Musik, die ich gehört hatte, sondern an einen meiner Findlinge, einen aus dieser blutenden kosmokokkischen Schar, den ich tagsüber angestellt oder entlassen hatte. Die Erinnerung an diese konnte weder Haydn, Bach, Scarlatti, Beethoven, Beelzebub, Schubert, Paganini oder Blas- und Streichinstrumente, kein Hornist und kein Zimbelschläger vertreiben. Ich konnte sehen, wie ein armer Teufel unser Bürohaus verließ, seine Botenuniform in ein braunes Einschlagpapier gewickelt, wie er an der Brooklyn-Brücke in die Hochbahn stieg und nach Freshbond Road, Pitkin Avenue oder vielleicht Kosciusko Street fuhr, um dort mit dem Schwärm auszusteigen, nach einer sauren Gurke zu greifen, einem Tritt in den Hintern auszuweichen, die Kartoffeln zu schälen, die Läuse aus dem Bettzeug zu schütteln und ein Gebet für seinen Großvater zu sagen, den ein betrunkener Pole niedergeschlagen hatte, weil ihm der Anblick eines wallenden Bartes verhaßt war. Ich konnte auch selbst Pitkin Avenue oder Kosciusko Street entlangwandeln und nach einem gewissen Schuppen, oder soll ich sagen einer elenden Hütte, suchen gehen, während ich bei mir dachte, welches Glück ich doch gehabt hatte, als Goi geboren zu werden und so gut Englisch zu sprechen. (Ist dies noch Brooklyn? Wo bin ich?) Manchmal konnte ich die Muscheln in der Bucht riechen - oder vielleicht war es das Wasser aus den Abzugskanälen. Und wohin ich auch ging, um die Verlorenen und Verdammten zu suchen, überall waren die Feuerleitern mit Bettzeug beladen, und von diesen fielen wie verwundete Cherubim eine Sammlung von Läusen, Wanzen, braunen und schwarzen Schaben und die abgenagten Pellen der gestrigen Salamiwurst nieder. Dann und wann erquickte ich mich mit einer saftigen Gurke oder einem in Zeitungspapier gewickelten Bückling. Wie gut waren doch die dicken, fetten Brezel! Die

Weitere Kostenlose Bücher