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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Galgen und Armenhäuser. Und wenn alle diese Schöpfungen gelesen und verdaut sind, werden die Menschen noch immer übereinander herfallen. Kein Autor, auch der größte nicht, hat um diese harte, kalte Tatsache herumzukommen vermocht.
    Trotzdem ist es ein großartiges Leben - das literarische meine ich. Wer will die Welt ändern? (Laß sie verfaulen, sterben, verlöschen!) Tettrazini, die ihre Lieder trillert, Caruso, der die Wandleuchter zum Wackeln bringt, Cortot, der wie eine blinde Maus walzt, der große Wladimir, der über die Klaviertasten wütet - dachten sie an Schöpfung oder an Erlösung? Vielleicht nicht einmal an Verstopfung . . . Die Straße dampft unter den Hufen ihrer Pferde, die Brücken dröhnen, die Himmel fallen ein. Was für einen Sinn hat das alles? Die in Fetzen gerissene Luft rauscht vorbei. Alles fliegt vorbei — Glocken, Kragenknöpfe, Schnurrbarte, Granatäpfel und Handgranaten. Wir weichen zur Seite, um euch Platz zu machen, feurige Rosse. Und dir, lieber Jascha Heifetz, lieber Joseph Szigeti, lieber Yehudi Menuhin. Wir weichen beiseite, demütig - hört ihr? Keine Antwort. Nur der Klang der Halsglocken.
    In der Nacht, wenn alles husch-husch! geht, wenn die ausgegrabenen Gestalten aus ihren Verstecken kommen, um auf dem Dach meines Gehirns eine Vorstellung zu geben, wo sie debattieren, schreien, jodeln, radschlagen und sogar wiehern - was für Pferde! —, in solchen Nächten weiß ich, dies ist das einzige Leben, das Leben eines Schriftstellers, und die Welt mag stillstehen, immer schlimmer werden, erkranken und sterben, das läßt mich kalt, weil ich der Welt nicht mehr angehöre, einer kranken und sterbenden Welt, die sich selbst den Dolch in die Brust stößt, die wie eine amputierte Krabbe hin und her torkelt... ich habe meine eigene Welt, einen Graben , der angefüllt ist mit Pissoirs, Miros und Heideggers, Bidets, einem einsamen Yeschiwa Bocher, Kantoren, die wie Klarinetten singen, Divas, die in ihrem eigenen Fett schwimmen, Hornbläsern und Troikas, die vorbeirauschen wie der Wind... Für Napoleon ist kein Platz hier, auch nicht für Goethe, nicht einmal für die sanften Seelen, die Macht über Vögel haben, wie der heilige Franziskus, Milosch aus Litauen und Wittgenstein. Selbst wenn ich, von Zwergen und Wichtelmännchen gefesselt, auf dem Rücken liege, reicht meine Macht weit und ist unzerstörbar. Meine Günstlinge gehorchen mir, sie springen auf wie Korn auf dem Kuchenblech, sie stellen sich in Reih und Glied, um Sätze, Abschnitte und Seiten zu bilden. Und an weitentlegenen Orten, an einem noch kommenden himmlischen Tage, werden andere, die auf die Musik von Worten abgestimmt sind, auf die Bücher antworten und den Himmel selbst stürmen, um dort grenzenloses Delirium zu verbreiten. Wer weiß, warum es diese Dinge, warum es Oratorien und Kantaten geben sollte? Wir wissen nur, daß sie da sind, daß ihre Magie Gesetz ist und daß wir, wenn wir auf sie achten, auf sie merken, sie verehren, Freude auf Freude häufen, Elend auf Elend, Tod auf Tod.
    Nichts ist so schöpferisch wie die Schöpfung selbst. Abel zeugte Bogul, und Bogul zeugte Mogul, und Mogul zeugte Zobel. Katheter, Zeterer, Schmetterer. Ein Buchstabe, zu einem anderen gefügt, ergibt ein Wort, ein Wort, neben ein anderes gestellt, ergibt einen Satz; Satz auf Satz, Abschnitt auf Abschnitt, Kapitel auf Kapitel, Buch auf Buch, Epos auf Epos, und das Ganze ein Turm von Babel, der sich fast, aber nicht ganz, bis zu den Lippen des Großen Ich Bin erstreckt. «Das Wort ist Demut!» Oder, wie mein verehrter und geliebter Lehrer erklärt: «Wir müssen uns an unsere enge Verbindung mit den Dingen erinnern, als da sind: Insekten, Flugeidechsen, Saurier, Blindschleichen, Maulwürfe, Stinktiere und jene kleinen fliegenden Eichhörnchen, die Polatouches heißen.» Aber laßt uns auch nicht vergessen, wenn die Schöpfung uns beim Schopf faßt, daß jedes Atom, jedes Molekül, jedes einzelne Element des Universums mit uns im Bunde ist, uns vorwärtstreibt und zurechtstutzt, damit wir darauf achten, von Schmutz nie als Schmutz und von Gott nie als Gott zu denken, sondern immer an alles zusammen. Sie lassen uns wie Kometen hinter unserem eigenen Schwanz herrennen und erweisen damit Bewegung, Materie, Kraft und all den anderen Begriffsschwulst als unwahr, der wie blutende Hämorrhoiden am Arschloch der Schöpfung hängt.
    («Mein Strohhut vermischt sich mit den Strohhüten der Reispflanzer.»)
    In diesem seligen Reich ist es

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