Nexus
Da ließ ich ihn ein, blieb aber die ganze Zeit bei ihnen. Er zeigte ihr die Bilder an den Wänden und Ihre Bücher. Es schien mir, als ob er auf die Dame Eindruck machen wollte. Einmal setzte er sieb auf Ihren Stuhl und sagte zu ihr: ‹Hier schreibt er seine Bücher, nicht wahr, Mrs. Skolsky ?› Dann stimmte er ein Loblied auf Sie an, was für ein großer Schriftsteller Sie wären, was für ein treuer Freund und so weiter. Ich wußte nicht, was ich von diesem sonderbaren Benehmen halten sollte. Schließlich lud ich beide zu einer Tasse Tee ein. Sie blieben wohl zwei Stunden. Er erschien mir sehr interessant...»
«Worüber haben sie sich unterhalten?»
«Über allerlei, aber hauptsächlich über Liebe. Er schien in die Dame sehr vernarrt zu sein.»
«Sprach sie auch viel?»
«Nein, kaum ein Wort. Sie benahm sich sehr merkwürdig. Kaum der Typ, der für einen Mann wie ihn geeignet ist.»
«Sah sie gut aus?»
«Das kommt drauf an», sagte Mrs. Skolsky. «Ehrlich gesagt, sie kam mir sehr wenig anziehend, fast häßlich vor. Auch ziemlich leblos. Ich fragte mich, was sieht er in einem solchen Mädchen? Ist er blind?»
«Er ist ein richtiger Narr», warf Mona ein.
«Nach seinen Reden zu urteilen, ist er aber sehr intelligent», sagte Mrs. Skolsky.
«Bitte, Mrs. Skolsky», sagte Mona, «tun Sie mir den Gefallen und sagen ihm, wenn er wieder kommt, daß wir nicht daheim sind. Sie können jede Ausrede gebrauchen, nur lassen Sie ihn nicht herein. Er ist ein lästiger Langweiler. Ein absolut wertloser Mensch.»
Mrs. Skolsky sah mich fragend an.
«Ja», sagte ich, «sie hat recht. Wenn ich ehrlich sein soll, muß ich sagen, sie hat ihn noch zu milde beurteilt. Er gehört zu den Leuten, deren Intelligenz zwecklos ist. Für einen Rechtsanwalt ist er intelligent genug, aber in jeder anderen Hinsicht ist er ein unheilbarer Tölpel.»
Mrs. Skolsky machte ein verdutztes Gesicht. Es war ihr neu, daß man so von seinem «Freund» sprach. «Aber er ist in so warmer Weise für Sie eingetreten», sagte sie.
«Das macht nichts», erwiderte ich. «Er ist unzugänglich, stumpfsinnig . . . dickfellig, das ist das richtige Wort.»
«Wenn Sie meinen, Mister Miller.» Sie wich an die Tür zurück.
«Ich habe keine Freunde mehr», sagte ich. «Ich habe sie alle umgebracht.»
Ihr Mund öffnete sich vor Erstaunen oder Entsetzen.
«Er meint das nicht ganz wörtlich», erklärte Mona.
«Das nehme ich als sicher an», sagte Mrs. Skolsky. «Es klingt schrecklich.»
«Es ist die Wahrheit, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Ich bin ein völlig asozialer Mensch.»
«Das glaube ich nicht», erwiderte sie. «Auch Mister Essen würde das nicht glauben.»
«Er wird es schon eines Tages herausfinden. Nicht, daß ich ihn nicht mag, verstehen Sie.»
«Nein, ich verstehe nicht», sagte Mrs. Skolsky.
«Ich auch nicht», sagte ich und begann zu lachen.
«Sie haben den Teufel in sich», sagte Mrs. Skolsky. «Nicht wahr, Mrs. Miller?»
«Möglich», sagte Mona, «er ist nicht immer leicht zu verstehen.»
«Ich glaube, ich verstehe ihn», sagte Mrs. Skolsky. «Ich glaube, er schämt sich, daß er so gut, so ehrlich, so aufrichtig — und ein so guter Freund ist.» Sie wandte sich mir zu: «Wirklich, Mister Miller, Sie sind der freundlichste Mensch, den ich je kennengelernt habe. Ich mache mir nichts draus, was Sie von sich sagen . . . Ich denke mir mein Teil. . . Wenn Sie Ihre Sachen ausgepackt haben, kommen Sie zu mir herunter und essen Sie mit mir zu Abend, ja?»
«Da siehst du's», sagte ich, als sie aus dem Zimmer war, «wie schwierig es ist, die Leute von einer Wahrheit zu überzeugen.»
«Du stößt andere gern vor den Kopf, Val. Du sprichst zwar immer die Wahrheit, machst sie aber unschmackhaft.»
«Nun, jedenfalls wird sie uns jetzt Mac Gregor vom Leibe halten, das habe ich wenigstens erreicht.»
«Er wird dir bis ins Grab folgen», sagte Mona.
«Das wäre was, wenn wir ihm in Paris in den Weg liefen.»
«Sag doch so was nicht, Val. Schon der Gedanke daran würde uns die Reise verderben.»
«Wenn der Kerl es fertigbringt, sie nach Paris zu lotsen,wird er sie auch aufs Bett werfen. Jetzt kann er ihr nicht mal die Hand auf den Rücken legen.»
«Wir wollen die beiden vergessen. Schon wenn ich an sie denke, bekomme ich eine Gänsehaut.»
Aber es war unmöglich, sie zu vergessen. Während der ganzen Mahlzeit sprachen wir von ihnen, und in der Nacht träumte es mir, ich begegnete ihnen in Paris. In dem Traum sah Guelda wie eine
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