Nexus
allmählichen Erkenntnis, daß kein Wutanfall, keine Drohungen, keine Kummermiene, keine Zärtlichkeit und keine Reue, nichts, was ich tat und sagte, den geringsten Eindruck auf sie machte, begann mir der Boden unter den Füßen zu wanken. Ein sogenannter «Mann» würde zweifellos seinen Kummer hinuntergeschluckt und stolz die Szene verlassen haben. Aber der kleine Beelzebub nicht!
Ich war kein Mann mehr. Ich kehrte zum Urzustand der Wildheit zurück. Ständige Panik wurde mein normales Verhalten. Je unerwünschter ich war, desto enger klammerte ich mich fest. Je mehr ich verwundet und gedemütigt wurde, desto mehr sehnte ich mich nach weiterer Mißhandlung. Ich wartete immer auf ein Wunder, tat aber nichts, um eines herbeizuführen. Noch mehr, ich brachte es nicht einmal fertig, ihr oder Stasia oder sonst jemand, ich selbst eingeschlossen, Vorwürfe zu machen, obwohl ich mich oft so stellte, als wollte ich es tun. Noch konnte ich, wenn ich es auch gern getan hätte, mich zu dem Glauben durchringen, es sei einfach so dazu «gekommen». Ich hatte noch genug Verstand, um mir klarzumachen, daß ein solcher Zustand, in dem wir uns befanden, nicht einfach so «gekommen» sein konnte. Nein, ich mußte mir selbst eingestehen, daß er sich schon seit langem angekündigt hatte. Ich war überdies den Weg, der uns dahin gebracht hatte, so oft zurückgegangen, daß ich ihn Schritt für Schritt kannte. Aber wenn man sich bis zum Punkt äußerster Verzweiflung getrieben sieht, nützt es einem nichts, wenn man weiß, wo oder wann man den ersten verhängnisvollen Fehltritt getan hat. Was allein wichtig ist - o Gott, wie wichtig! - ist das Jetzt .
Wie windet man sich aus einem Schraubstock?
Immer wieder rannte ich mit dem Kopf gegen die Wand, um auf diese Frage eine Antwort zu finden. Wäre es möglich, so hätte ich mein Gehirn herausgenommen und es durch die Wringmaschine gezogen. Was ich auch tat, was ich auch dachte, was ich auch versuchte, ich konnte mich aus der Zwangsjacke nicht befreien.
Hielt mich die Liebe so gefesselt?
Wie konnte ich auf diese Frage antworten? Meine Gefühle waren so verwirrt, so kaleidoskopisch. Ebensogut könnte man einen Sterbenden fragen, ob er Hunger habe.
Vielleicht war die Frage anders zu stellen, zum Beispiel so: «Kann man je zurückgewinnen, was verloren ist?»
Der vernünftige Mensch, der Mensch mit gesundem Verstand, wird mit nein antworten. Der Tor jedoch sagt ja.
Nichts ging je verloren, was man nicht zurückgewinnen kann .
Wer sagt das? Der Gott in uns. Adam, der Feuer und Flut überstand. Und alle Engel.
Denkt einen Augenblick nach, ihr Spötter! Wenn eine «Erlösung» unmöglich wäre, würde dann nicht die Liebe selbst verschwinden? Sogar die Eigenliebe?
Vielleicht würde das Paradies, das ich so verzweifelt wiederzugewinnen suche, nicht mehr dasselbe sein. Wenn man einmal den magischen Kreis verlassen hat, arbeitet der Sauerteig der Zeit mit verheerender Schnelligkeit.
Was war nun dieses Paradies, das ich verloren hatte? Worin bestand es? Nur in der Fähigkeit, einen Augenblick Seligkeit zu ergattern? War es der Glaube, den sie mir einhauchte? (Ich meine den Glauben an mich selbst.) Oder waren wir wie siamesische Zwillinge zusammengewachsen?
Wie einfach und klar erscheint das jetzt alles! Ein paar Worte erzählen die ganze Geschichte: Ich hatte die Kraft zu lieben verloren . Dunkelheit hüllte mich wie in eine Wolke ein. Die Furcht, sie zu verlieren, machte mich blind. Lieber hätte ich sie tot gesehen.
Einsam und verstört streifte ich durch das Dunkel, das ich selbst geschaffen hatte, wie von einem Dämon verfolgt. In meiner Angst ging ich manchmal auf allen vieren und erdrosselte, verstümmelte, zerquetschte mit bloßen Händen alles, was unser Nest bedrohen konnte. Manchmal bekam ich in meiner Raserei die Puppe zu packen, manchmal nur eine tote Ratte. Einmal war es nur ein Stück verdorbener Käse. Tag und Nacht mordete ich. Je mehr ich umbrachte, desto größer wurde die Zahl meiner Feinde und Widersacher.
Wie groß ist doch die Phantom weit! Wie unerschöpflich an Spukgestalten! Warum brachte ich mich nicht selbst um? Ich versuchte es, aber es endete mit einem Fiasko. Wirksamer war, wie ich entdeckte, wenn man aus dem Leben einen luftleeren Raum machte.
Im Geist leben, nur im Geist, das ist der sicherste Weg dazu. Man wird dann das Opfer einer Maschine, deren Schwungräder unablässig herumwirbeln, die ständig knirscht und knarrt.
Die Geistmaschine .
«Liebe
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