Nexus
meine Liebe zu verlieren. Ich Einfaltspinsel sagte auch noch, sie übertriebe, und bat sie, die Vergangenheit zu vergessen, erklärte, es sei von keiner Bedeutung, ob das, was sie gesagt hatte, wahr oder falsch, wirklich oder nur eingebildet sei. Ich schwor, es würde für mich nie eine andere geben.
Der Tisch, an dem wir saßen, war herzförmig. An dieses Onyx-Herz richteten wir unsere Treueschwüre.
Schließlich wurde es mir aber doch zuviel. Ich hatte mehr als genug gehört. «Laß uns gehen», sagte ich.
Wir rollten in einem Taxi heim, zu erschöpft, um noch ein Wort zu wechseln.
Daheim war eine große Veränderung vor sich gegangen, alles wai in größter Ordnung, glitzerte von Sauberkeit. Der Tisch war für drei gedeckt. Genau in der Mitte stand eine große Vase, aus der ein riesiger Veilchenstrauß sproßte.
Alles wäre vollkommen gewesen ohne diese Veilchen. Sie schienen mehr Gewicht zu haben als alle Worte, die wir gewechselt hatten. Beredt und unwiderlegbar war ihre stumme Sprache. Ohne daß sie auch nur ihre duftenden Lippen öffneten, machten sie uns klar, daß Liebe nicht einseitig sein kann. «Liebe mich, wie ich dich liebe.» Das war die Botschaft.
Weihnachten kam näher. Um dem Geist der Jahreszeit ihre Reverenz zu erweisen, beschlossen sie, Ricardo zu einem Besuch einzuladen. Er hatte um diese hohe Gnade schon monatelang gebeten. Wie sie es fertiggebracht hatten, einen so hartnäckigen Verehrer so lange abzuweisen, ging über meinen Horizont.
Da sie Ricardo gegenüber meinen Namen oft erwähnt hatten - ich war ihr Freund, ein exzentrischer Schriftsteller, vielleicht ein Genie! —, wurde abgemacht, daß ich kurz nach seinem Eintreffen wie zufällig erscheinen sollte. Diese Strategie hatte einen doppelten Zweck, aber die Hauptsache dabei war, daß Ricardo zur gleichen Zeit ginge wie sie.
Ich kam und sah, wie Ricardo einen Rock flickte. Die Atmosphäre war behaglich wie auf einem Bild von Vermeer oder einer Umschlagseite der Saturday Evening Post , auf der die Tätigkeit des Frauenhilfsdienstes dargestellt ist.
Ricardo gefiel mir sofort. Er entsprach nicht nur den Lobsprüchen, mit denen sie ihn überhäuft hatten, sondern hatte auch noch etwas an sich, das über den Bereich ihrer Antennen hinausging. Wir gerieten sogleich in eine lebhafte Unterhaltung, als ob wir unser ganzes Leben lang Freunde gewesen wären. Oder Brüder. Sie hatten gesagt, er sei Kubaner, aber ich entdeckte bald, daß er Katalane und als junger Mann nach Kuba ausgewandert war. Wie andere seines Stammes war er ernst, wirkte fast düster. Aber sobald er lächelte, entdeckte man sein kindliches Herz. Seine etwas heisere Stimme und seine gutturale Aussprache gaben seinen Worten einen tiefen Nachklang. Im Äußeren hatte er starke Ähnlichkeit mit Pablo Casals. Er war tiefernst, aber nicht todernst, wie sie mir weisgemacht hatten.
Als ich ihn so bei seiner Flickarbeit sah, dachte ich daran, was Mona mir einmal erzählt hatte, besonders an die Worte, die er so ruhig gesprochen hatte: «Eines Tages werde ich euch umbringen.»
Er war einer solchen Tat durchaus fähig. Sonderbarerweise hatte ich das Gefühl, alles, was Ricardo tun würde, sei völlig gerechtfertigt. In seinem Fall könnte man dieses «Umbringen» kein Verbrechen nennen, es wäre ein Akt der Gerechtigkeit. Dieser Mann konnte keine schmutzige Handlung begehen. Er hatte Herz, dieser Mann, er war ganz Herz.
Dann und wann nahm er einen Schluck von dem Tee, den sie ihm eingegossen hatten. Wäre es Feuerwasser gewesen, er hätte es in derselben ruhigen Art getrunken. Es war eine rituelle Handlung. Auch von seiner Redeweise hatte man den Eindruck, als sei sie Teil eines Rituals.
In Spanien war er Musiker und Dichter gewesen, in Kuba arbeitete er als Flickschuster. Hier war er niemand. Das stand ihm sehr gut zu Gesicht. Er war niemand und jeder, hatte nichts zu beweisen und nichts zu erreichen. Er war in sich geschlossen wie ein Felsblock.
Er war häßlich wie die Sünde, aber jede Pore seines Wesens strahlte nur Güte, Erbarmen und Nachsicht aus. Und einem solchen Mann glaubten sie durch eine Einladung einen großen Gefallen erweisen zu können! Von seinem scharfen Verstand hatten sie keine Ahnung! Es ging ihnen nicht in den Kopf, daß er ihnen noch zugeneigt sein konnte, obschon er sie durchschaute, oder daß er von Mona nicht mehr als die Ehre erwartete, seine tolle Leidenschaft noch mehr entflammen zu können.
«Eines Tages», so sagte er ruhig, «werde ich Sie
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