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Nexus

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Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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wie es meinem Vater ergangen ist. Ein solches Schicksal braucht Val nicht zu befürchten. Er soll tun, was er will. Ich glaube an ihn und werde weiter an ihn glauben, selbst wenn die ganze Welt nichts von ihm wissen will.» Sie machte eine lange Pause, dann fuhr sie noch ernster fort: «Warum du nicht willst, daß er schreibt, ist mir ein Rätsel. Es kann doch nicht deshalb sein, weil er damit noch nicht seinen Lebensunterhalt verdient. Das ist seine und meine Sorge, nicht wahr? Ich will dich nicht verletzen, aber ich möchte doch dieses eine sagen: wenn du ihn nicht als Schriftsteller haben willst, wirst du ihn auch nie als Sohn haben. Wie kannst du ihn verstehen, wenn du diese Seite an ihm übersiehst? Vielleicht hätte er etwas anderes werden können, etwas, was dir besser gefiele; obschon schwer einzusehen ist, was das sein sollte, wenn du ihn kennst. . . wenigstens so, wie ich ihn kenn. Und was hätte er davon, wenn er dir, mir oder irgendeinem anderen bewiese, daß er genauso sein kann wie jeder andere? Du zweifelst vielleicht, ob er ein guter Ehemann, ein guter Vater und so weiter ist. Ich kann dir sagen, er ist es. Aber er ist viel mehr. Was er zu geben hat, gehört der ganzen Welt, nicht bloß seiner Familie, seinen Kindern oder seinen Eltern. Vielleicht erscheint dir das sonderbar oder gar herzlos?»
    «Phantastisch!» sagte meine Mutter, und es klang wie ein Peitschenhieb.
    «Gut, also phantastisch . Aber so ist es. Eines Tages wirst du lesen, was er geschrieben hat, und dann stolz auf einen solchen Sohn sein.»
    «Ich nicht», sagte meine Mutter. «Ich möchte ihn lieber als Erdarbeiter sehen, wie er Gräben aushebt.»
    «Das wird er vielleicht eines Tages tun müssen», sagte Mona. «Manche Künstler begehen Selbstmord, ehe sie Anerkennung finden. Rembrandt beendete sein Leben auf der Straße, als Bettler. Und er war einer der größten...»
    «Was ist mit van Gogh?» zirpte Stasia.
    «Wer ist das?» fragte meine Mutter. «Auch so ein Federkritzler?»
    «Nein, ein Maler, und dazu ein verrückter.» Stasia richtete jetzt ihre Stacheln auf.
    «Habe ich es hier mit lauter Verrückten zu tun?» sagte meine Mutter.
    Stasia lachte auf. Lauter und lauter lachte sie. «Und was ist mit mir?» rief sie. «Wissen Sie nicht, daß ich auch nicht alle Tassen im Spind habe?»
    «Eine sehr liebenswerte Verrückte», sagte Mona.
    «Ich bin ehrlich und richtig verrückt, ja!» Sie lachte noch lauter. «Das ist allgemein bekannt.»
    Ich sah, daß es meiner Mutter unheimlich wurde. Es war schon recht, wenn man das Wort von den Tassen im Spind in der Unterhaltung gebrauchte, aber wenn sich einer selbst als verrückt bezeichnete, das war etwas anderes.
    Mein Vater rettete die Lage. «Der eine ist ein Clown», sagte er, «die andere ist verrückt, und was bist duh› Er richtete diese Frage an Mona. «Fehlt dir auch was?»
    Sie antwortete lächelnd und frohgemut: «Ich bin vollständig normal. Das ist mein Leiden.»
    Er wandte sich jetzt an meine Mutter. «So sind Künstler eben. Sie müssen ein bißchen verrückt sein, wenn sie malen - oder schreiben wollen. Wie war es doch mit unserem alten Freund John Imhof ?»
    «Wieso?» fragte meine Mutter und starrte ihn verständnislos an. «Mußte der mit einer anderen Frau davonlaufen, mußte er Frau und Kinder sitzenlassen, um zu beweisen, daß er Künstler war?»
    «Das will ich ja gar nicht damit sagen.» Er wurde mehr und mehr aufgebracht über sie, da er nur zu gut wußte, wie starrsinnig und beschränkt sie sein konnte. «Weißt du nicht mehr, was er für ein Gesicht machte, wenn wir ihn bei seiner Arbeit überraschten? Da saß er in seinem kleinen Zimmer und malte mit Wasserfarben, wenn alles schon im Bett war. Geh hinauf und hol das Bild, das im Wohnzimmer hängt», sagte er zu Lorette. «Du weißt schon, das Bild mit dem Mann und der Frau im Ruderboot. .. der Mann trägt ein Bündel Heu auf dem Rücken.»
    «Ja», sagte meine Mutter nachdenklich, «John Imhof war ein guter Mensch, bis seine Frau zu trinken anfing. Ich muß zwar sagen, viel Interesse an seinen Kindern hatte er nicht. Er dachte nur an seine Kunst.»
    «Er war ein guter Künstler», sagte mein Vater. «Hat schöne Arbeiten gemacht. Erinnerst du dich an das farbige Glasfenster, das er für die kleine Kirche an der Ecke verfertigte? Und was bekam er für seine Arbeit? Fast nichts. Nein, an John Imhof werde ich immer denken, gleichgültig, was er getan hat. Ich wünschte nur, wir hätten mehr von seinen

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