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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Phantasievorstellungen und leerem Geschwätz.
    Darum rief ich ihn an. Zu meinem Erstaunen schien er geradezu darauf gewartet zu haben. Er habe uns schon lange besuchen wollen, aber Mona habe davon nichts wissen wollen, beteuerte er. Am Telefon klang das alles sehr frisch und frei und durchaus sympathisch. Sehr jungenhaft erzählte er mir, er hoffe bald Rechtsanwalt zu sein.
    Ein Blick in die Schreckenskammer, die unsere Wohnung war — und er war platt. Er geht wie benommen umher, schaut dies und jenes an und schüttelt mißbilligend den Kopf. «Das ist also eure Wohnung?» wiederholt er immer wieder. «Ihre Idee , zweifellos. Gott, sie ist eben komisch.»
    Ich biete ihm ein Glas Wein an, aber er belehrt mich, daß er nie Alkohol trinkt. Kaffee? Nein, ein Glas Wasser täte es auch.
    Ich fragte ihn, ob sie immer so gewesen sei. Niemand aus der Familie, antwortete er, sei klug aus ihr geworden. Nichts als Lügen, Lügen, Lügen.
    «Aber wie war sie denn, bevor sie aufs College kam?»
    «College? Sie hat ja nicht mal die höhere Schule zu Ende besucht. Als sie sechzehn war, ging sie von zu Hause fort.»
    So taktvoll wie möglich ließ ich durchblicken, daß die Verhältnisse dort wahrscheinlich niederdrückend waren. «Vielleicht konnte sie mit der Stiefmutter nicht zurechtkommen?» fügte ich hinzu.
    «Stiefmutter? Hat sie von einer Stiefmutter gesprochen? So ein Aas!»
    «Ja, sie behauptet immer, sie habe mit ihrer Stiefmutter nicht auskommen können. Ihren Vater liebte sie jedoch sehr. Sie hätten sich sehr gut verstanden.»
    «Was sonst noch?» Er preßte vor Wut die Lippen zusammen.
    «Oh, noch eine ganze Menge. Erstens habe ihre Schwester sie gehaßt. Warum , das habe sie nie erfahren.»
    «So, jetzt langt's», sagte er. «Hören Sie auf! Es ist gerade umgekehrt. Genau das Gegenteil ist richtig. Mutter war so gut zu ihr, wie eine Mutter nur sein kann. Sie ist ihre richtige Mutter, nicht ihre Stiefmutter. Vater war oft so wütend auf sie, daß er sie erbarmungslos durchbleute. Hauptsächlich wegen ihrer Lügerei. Ihre Schwester, sagen Sie. Ja, sie ist ein normaler, konventioneller Mensch, ebenfalls sehr hübsch. Gehässig war sie nie. Im Gegenteil, sie tat alles, was in ihrer Macht stand, um uns allen das Leben leichterzumachen. Aber niemand konnte mit einem solchen Aas fertigwerden. Es mußte alles nach ihrem Kopf gehen. Ging es anders, so drohte sie, auszureißen.»
    «Das verstehe ich nicht», sagte ich. «Ich weiß, sie ist eine geborene Lügnerin, aber ... Warum stellt sie denn alles auf den Kopf? Was will sie damit beweisen?»
    «Sie dünkte sich immer über uns erhaben», erwiderte er. «Wir waren ihr zu prosaisch, zu konventionell. Sie aber war jemand - sie hielt sich für eine Schauspielerin. Aber sie hatte kein Talent, nicht das geringste. Sie war zu theatralisch, wenn Sie verstehen, was ich damit meine. Ich muß zugeben, sie brachte es fertig, auf andere einen günstigen Eindruck zu machen. Sie hatte eine natürliche Begabung, die Leute für sich einzunehmen und sie hinters Licht zu führen. Wie ich Ihnen schon sagte, was sie getrieben hat, nachdem sie uns verlassen hat, weiß ich nicht. Wir sahen sie vielleicht einmal im Jahr, wenn nicht weniger. Sie kommt immer mit einem Armvoll Geschenke, wie eine Prinzessin. Und immer mit einem Sack voll Lügen über die großartigen Dinge, die sie vollbringt. Aber man kommt nie dahinter, was sie denn nun eigentlich tut.»
    «Ich muß Sie etwas fragen», sagte ich. «Stammt sie nicht aus einer jüdischen Familie?»
    «Natürlich», erwiderte er. «Warum? Hat sie Ihnen vorgemacht, sie sei Arierin? Sie war die einzige, die ihre jüdische Abstammung verhehlte. Das machte meine Mutter verrückt. Sie hat Ihnen wohl nie unseren wirklichen Namen gesagt? Mein Vater änderte ihn, als wir nach Amerika kamen. Das polnische Wort für Tod.»
    Jetzt hatte er mir eine Frage zu stellen. Er wußte nicht recht, wie er sie formulieren sollte. Schließlich rückte er damit heraus, wurde aber rot dabei.
    «Macht sie Ihnen Schwierigkeiten? Ich meine eheliche Schwierigkeiten?»
    «Oh», erwiderte ich, «wir haben unsere Probleme wie jedes Ehepaar. Ja, und nicht zu knapp. Aber darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen.»
    «Sie treibt sich doch nicht mit anderen Männern herum?»
    «N-n-nein. Das gerade nicht.» Mein Gott, wenn er eine Ahnung hätte! «Wir lieben uns. Was für Fehler sie auch haben mag, sie ist die einzige - für mich jedenfalls.»
    «Was ist es dann?»
    Ich war

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