Nexus
Scheckbuch zurück, und Osiecki schrieb sofort einen Scheck aus, in dem er sogar die geschuldete Summe durch ein reichliches Trinkgeld für den Kellner erhöhte. «Komisch», meinte er, «aber dieser kleine Trick - das Trinkgeld — machte großen Eindruck auf sie. Ich wäre dadurch argwöhnisch geworden.» Er grinste wie gewöhnlich, nur daß er diesmal etwas Speichel dabei verlor. «Eine ziemlich harmlose Angelegenheit.»
«Aber was wird dein Freund sagen, wenn er erfährt, daß du in seinem Namen den Scheck ausgestellt hast?»
«Nichts», erwiderte er ruhig. «Er ist vor zwei Tagen gestorben.»
Natürlich wollte ich ihn fragen, wieso er in den Besitz des Scheckbuchs gekommen sei, aber dann sagte ich mir: «Scheiße! Ein Kerl, der zugleich verrückt und schlau ist, kann alles erklären. Schwamm drüber.»
Statt dessen sagte ich: «Du weißt, wie man's macht, was?»
«Muß man», war seine Antwort. «In dieser Stadt jedenfalls.»
Als wir durch den Schacht rollten, schrie er in mein taubes Ohr: «Feine Geburtstagsfeier, wie? Hat dir der Champagner geschmeckt? Diese Burschen waren primitiv ... die hätte jeder bescheißen können.»
In Borough Hall, wo wir wieder an die frische Luft kamen, blickte er zum Himmel auf, sein Gesicht strahlte vor Freude und Zufriedenheit. «Kikeriki!» krähte er und ließ Geld in seiner Tasche klimpern. «Wie wär's, wenn wir bei Joe frühstückten?»
«Schön», stimmte ich zu. «Schinken und Eier würden mir jetzt guttun.»
Als wir das Restaurant betraten, sagte er: «Du meinst also, ich hätte mich einigermaßen geschickt aus der Affäre gezogen? Das war gar nichts. Du hättest mich in Montreal sehen sollen. Als ich dort das Puff leitete, meine ich.»
Plötzlich bekam ich es mit der Angst zu tun. Geld ... hatte er denn Geld? Ich wollte das nicht noch einmal durchmachen.
«Was quält dich, mein Junge?» sagte er. «Natürlich habe ich Geld.»
«Ich meine Bargeld . Hast du mir nicht gesagt, du hättest ihnen alles Geld gegeben, das du bei dir hattest?»
«Freilich», sagte er, «aber sie gaben es mir zurück, nachdem ich den Scheck ausgeschrieben hatte.»
Ich holte tief Atem. «Donnerwetter!» rief ich. «Das schlägt dem Faß den Boden aus. Du bist nicht nur ein Schlaukopf, sondern der reinste Hexenmeister.»
Wir sprechen nur noch von Paris. Paris wird alle unsere Probleme lösen. Inzwischen muß jeder fleißig an seine Arbeit gehen. Stasia macht Puppen und Totenmasken. Mona will jetzt ihr Blut verkaufen, da meines wertlos ist.
Mittlerweile bieten sich neue Opfer an, an denen wir eifrigen Blutegel uns vollsaugen können. Eines von ihnen ist ein Indianer, ein Tscherokese. Ein Indianer, Taugenichts - immer betrunken und unangenehm. Im Rausch aber wirft er sein Geld nur so heraus . . . jemand anders hat versprochen, jeden Monat unsere Miete zu bezahlen. Vor ein paar Tagen schob er abends die erste Rate in einem Umschlag unter der Tür durch, während wir alle in tiefem Schlaf lagen. Dann ist da noch ein jüdischer Chirurg, auch eine hilfsbereite Seele, ein Experte in Judo. Sehr merkwürdig für jemanden seines Standes, kommt mir vor. Er ist richtig für einen Pump in letzter Minute. Und dann haben wir noch den Fahrkartenkontrolleur, den sie wieder aufgegabelt haben. Er verlangt für seine Gaben nur gelegentlich ein Brötchen, auf das eine von ihnen ein bißchen Pipi machen muß.
Während dieses neuen Ausbruchs von Arbeitswut wurden auch die Wände dekoriert. Die Wohnung- sah jetzt aus wie Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett. Nichts als Skelette, Totenmasken, degenerierte Harlekins, Grabsteine und mexikanische Götter — alles in unheimlich wirkenden Farben.
Hin und wieder bekommen die beiden Brechreiz, vielleicht vor Aufregung oder Überarbeitung. Manchmal auch Durchfall. Eines nach dem anderen, wie im Ramayana .
Dann hatte ich, angeekelt von dieser sinnlosen Tätigkeit, eines Tages einen glänzenden Einfall. Obgleich ich die bösen Folgen voraussehen konnte, faßte ich den Entschluß, mich mit Monas Bruder - nicht mit dem, der in West Point auf der Kriegsakademie war, sondern mit dem anderen, dem jüngeren - in Verbindung zu setzen. Sie hatte ihn immer als sehr aufrichtigen, zielstrebigen Menschen bezeichnet. Lügen könne er nicht, so sagte sie einmal.
Ja, warum sollte ich mich nicht einmal mit ihm herzlich aussprechen? Ein paar einfache Tatsachen, ein paar nüchterne Wahrheiten waren sicher eine angenehme Unterbrechung in dem ständigen Einerlei von
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