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Nibelungen 01 - Der Rabengott

Nibelungen 01 - Der Rabengott

Titel: Nibelungen 01 - Der Rabengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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deinen Bruder in Schutz nehmen!«
    »Nein, Vater«, sagte Dankwart leise. Auch er wagte nicht, dem Grafen in die Augen zu blicken. »Man hört viel Seltsames über Otbert von Lohe. Die Leute –«
    »Die Leute?« schrie Adalmar und tobte wie ein Unwetter auf Dankwart zu. »Ihr seid die Söhne eines Grafen, und ihr hört auf die Leute !«
    Hagen starrte zu Dankwart hinüber, der vor der heranstampfenden Masse seines Vaters schrecklich klein und schmächtig wirkte. »Vater!« rief Hagen dem Grafen nach, bevor er Dankwart erreichen konnte. »Warte, Vater! Entehre nicht auch noch deinen Ältesten. Mich schlage ruhig, wenn es dein Wille ist, aber füge Dankwart nicht solche Schmach zu. Er ist der Erbe deines Hauses!«
    Adalmar blieb wie angewurzelt in der Mitte der Halle stehen. Er blickte wild von einem Sohn zum anderen und sah einen Moment lang aus, als wolle er beide dem Scharfrichter vorführen lassen.
    Dann aber, von einem Herzschlag zum nächsten, legte sich sein Zorn. Er hörte auf, wie ein Stier zu schnauben, schlug sich mit der Pranke vor die Stirn – und begann aus vollem Hals zu lachen.
    Dankwart hob vorsichtig seinen Blick, schaute erst zu Hagen, dann zu seinem Vater hinüber. Der Graf schüttelte sich in brüllendem Gelächter wie ein Opfer der Tanzwut.
    Schließlich, als Adalmar sich allmählich in den Griff bekam, winkte er seine beiden Söhne zu sich. Aus gegenüberliegenden Ecken der Halle traten sie an seine Seite, erst zögernd, dann aufrecht und gefaßt. Ihr Vater zog sie mit kraftvollen Armen an sich.
    »Ich bin sehr stolz auch euch«, sagte er laut und würdevoll, so daß auch das horchende Gesinde hinter der Tür es hören konnte. »Ihr beiden, Hagen und Dankwart, seid würdige Söhne unseres Geschlechtes, und euch soll versichert sein, daß ich nur das Beste für jeden von euch will.« Er sah Dankwart an, der ihm, ebenso wie Hagen, bis zur Nase reichte. »Du, Dankwart, bist der Erstgeborene und wirst einst dieses Lehen erben. Deshalb mußt du mit den Gepflogenheiten am Hof zu Worms vertraut sein. Für dich kann es keine bessere Schule auf dem Weg zur Ritterwürde geben als die Königsburg.« Er lächelte Dankwart aufmunternd zu, dann blickte er Hagen an. »Du aber, Hagen, wirst deinem Bruder dereinst als Führer seiner Krieger zur Seite stehen, und deshalb wirst du vor allen Dingen lernen müssen, wie ein Ritter mit Waffen und Armeen und mit dem Blutdurst seiner Feinde umgeht. Was schert dich das höfische Spiel von Umwerben und Schmeicheln und Leisetreten? Du sollst der mächtigste Krieger an den Gestaden des Rheines sein, und wenn es einen gibt, der dir dabei helfen kann, dann ist es mein alter Kampfgefährte Otbert von Lohe. Er versteht nichts von Getändel und Diplomatie, aber wenn es um den Kampf Mann gegen Mann geht, dann ist er einer der Besten.«
    Hagen war tiefberührt von den Worten seines Vaters, und obgleich ihm der Gedanke, an Otberts Hof zu reisen, nach wie vor zuwider war, suchte er nach einer freundlichen Erwiderung.
    »Man hört«, sagte er, »Graf Otbert sei ein Meisterschütze mit dem Langbogen.«
    »Aber ja«, rief Adalmar begeistert und sein Blick verklärte sich, als alte Erinnerungen in ihm aufstiegen. »In so manchem Kampf hat seine Bogenkunst das Blatt für uns gewendet. Otbert vermochte es, einem feindlichen Heerführer über hundert Mannslängen das Auge auszuschießen.«
    »Hast du ihm deshalb Waffenbrüderschaft gelobt?« fragte Dankwart.
    »Nicht wegen seiner Künste«, entgegnete Adalmar und krallte die Hände in die Schultern seiner Söhne. »Wir wurden Brüder, weil Otbert mir ein Freund war wie kein zweiter. Er hat mir mehr als einmal das Leben gerettet – so wie ich ihm –, und wir schworen uns, derlei nie zu vergessen.«
    Mit einem Seufzen löste er sich von den beiden und trat an eines der hohen Spitzbogenfenster. Gedankenverloren blickte er hinaus über das Land, über Wälder und Fluß, als warte irgendwo dort draußen die Vergangenheit auf ihn.
    »Wenn du morgen zu ihm abreist, Hagen, dann wird das sein, als kehre sein bester Freund zu ihm zurück.«
     

     
    An einem Kreuzweg, unweit des Rheinufers, trennten sich die Reitergruppen. Dankwart warf Hagen einen letzten, sorgenvollen Blick zu, dann ritt er inmitten seines Gefolges davon. Hagens Bewacher, ein Trupp aus sechs Kriegern, angeführt von einem Vetter seines Vaters, wandten ihre Pferde gen Süden und wollten ihren Weg fortsetzen, doch Hagen hielt sie mit einem knappen Befehl zurück. Angespannt

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